Fitness und deine Psyche: Warum ein Traumkörper nicht alles ist

Ein Großteil der Fitness-Branche hat eine seltsame Auffassung von Gesundheit. Sie beurteilt Gesundheit in erster Linie nach dem Aussehen. Ob du schlank bist, dein Körper „straff“ ist und du ein – dem Schönheitsideal entsprechendes – gutes Verhältnis zwischen Muskulatur und Körperfett besitzt.

So findest du Tipps, wie du deinen Stoffwechsel anregst (damit du schneller schlank wirst), wie du deinen Bizeps wachsen lässt (damit du als Mann angeblich attraktiver wirkst), oder „Fett am Unterbauch verbrennst“ (wie auch immer das funktionieren soll). Du müsstest dich schon durch viel Fitness-Schlagzeilen wühlen, bevor du z. B. etwas zur Herzgesundheit findest.

Aber ein Aspekt wird von der Fitness-Industrie häufig ganz unter dem Tisch gekehrt. Dabei spielt er eine große Rolle, wenn es um deine Fitness geht: Deine Psyche.

Du kannst dich hervorragend ernähren, schlank und muskelbepackt sein. Ja, sogar auf der Titelseite eines Fitnessmagazins prangen – und trotzdem nicht fit sein, weil deine Psyche nicht mitspielt.

Physische Gesundheit ist nur die eine Seite der Medaille. Sie reicht alleine jedoch nicht.

Zur Fitness gehört weitaus mehr, als nur die äußere Erscheinung.

Wir leben in einer Gesellschaft, die das Aussehen über viele andere Werte stellt. Das äußere Erscheinungsbild ist die Visitenkarte einer Person geworden. Und das schon lange nicht mehr alleine in der Fitness-Branche.

Aber deine Psyche hat eine große und vor allem unmittelbare Wirkung auf dein Wohlbefinden. Und somit auch auf deine Fitness. Was in deinem Kopf los ist, spielt eine weitaus größere Rolle für deine aktuelle Fitness, als dein leichtes Übergewicht oder der „langsame Stoffwechsel“.

Das hohle Fitness-Versprechen

Wenn du endlich deine Traumfigur hast, ein Six-Pack oder einen knackigen Po, oder was auch immer du begehrst – bist du dann glücklich?

Wenn dem so wäre, müssten Fitness-Models und Fitness-Influencer die glücklichsten Menschen der Welt sein. Sind sie aber oftmals nicht. Gerade die Fitness-Branche ist voll von Leuten mit seelischen Problemen in einem tollen Body.

Bekanntes Beispiel: Die prominente Fitness-Influencerin Sophia Thiel, die nach zwei Jahren ungewollter Auszeit beschreibt, wie sie in ein „schwarzes Loch ohne Boden“ gefallen sei, in eine freudlose „Leere und Taubheit“.

Wer es mit der Fitness übertreibt, der gerät schnell in ein zwanghaftes Verhalten. Kalorienzählen und Protein-Shakes sind nur der Anfang. Die vermeintliche Kontrolle über dem eigenen Körper wird einem zum Verhängnis. Oder wie Sophia Thiel es beschreibt:

„Ich dachte: Mein Körper ist ein Arschloch und ich muss ihn unterwerfen.“

Letztendlich ist das Fitness-Versprechen leer.

Der gleiche Kopf zieht mir dir in deinem neuen Traumbody ein.

Und die Chance ist groß, dass sich deine Probleme auf der Fitness-Reise nicht verbessern – eher im Gegenteil. Folgst du dem, was dir die Fitness-Branche vorlebt – z. B. hochintensive Workouts und strenge Ernährungsregeln – wirst du über kurz oder lang ausbrennen.

Warum „psychische Fitness“ wichtig ist

Der mentale Aspekt von Fitness

Wenn wir über richtige Fitness reden, dann muss uns klar sein, dass wir über viel mehr als nur Aussehen sprechen. Du kannst mit dem besten Trainingsplan trainieren und dich nach dem besten Ernährungsplan ernähren. Aber wenn du im Kopf nicht fit bist, bringt dir dies rein gar nichts.

Deine Psyche ist vom Körper abhängig. Daher werden Fitnesstrainer auch nicht müde immer wieder zu betonen, dass Sport nicht nur für den Körper gut ist, sondern auch für die Psyche. Das ist vollkommen richtig. In vielen großangelegten Studien konnte beispielsweise gezeigt werden, dass körperliche Aktivität dabei helfen kann Ängste und Depressionen zu überwinden.

Aber das Gegenteil ist auch richtig:

Dein Körper ist von der Psyche abhängig.

Das kennt jeder, der z. B. bei Stress zu Verspannungen im Nacken oder im Rücken neigt.

Du benötigst ein gewisses Maß an „psychischer Fitness“, um überhaupt bereit zu sein, körperlich fit zu werden.

Die meisten Trainer – und schon gar keine Fitnessratgeber – helfen dir NICHT dabei mental und emotional fit zu werden. Und auch keine Protein-Shakes und keine Trainingspläne. Das ist etwas, was nur du kannst.

Fitness ist nicht nur eine Verhaltensänderung

Richtig trainieren und gesund ernähren – Fitness scheint in erster Linie „nur“ eine Verhaltensänderung zu sein. Die Fitness-Industrie macht den Eindruck, dass du einfach nur entsprechend Sport treiben und dich richtig ernähren musst, und schon wirst du fit.

Und was ist mit deinem Kopf und deiner Psyche? Die mentalen Aspekte der Fitness werden oftmals ausgeblendet. Scheinbar wird sich darauf verlassen, dass du das schon irgendwie hinbekommst. Die „gute Laune“ kommt halt mit dem Sport.

Aber was, wenn dem mal nicht so ist? Wenn es dir einfach nicht gut geht, oder du Stress hast oder dir die emotionale Bereitschaft zur Fitness fehlt?

Dann wird dir die Verantwortung dafür gegeben, dass es mit der Fitness nicht klappt. Oder du wirfst dir selbst vor, nicht willensstark genug zu sein. Und schnell bist du bei der Sichtweise angelangt, auf die Sophia Thiel auch hereingefallen ist.

Der Körper ist aber nicht etwas, was du knechten musst, bis er dir gehorcht.

Gerade die in der allgemeinen Fitnesskultur prononcierte Attitüde des „go heavy, or go home“ verstärkt noch den Eindruck, dass du „einfach“ nur auf den Körper einprügeln musst – und schon wirst du fit. Schwere Gewichte stemmen, intensives Cardio-Training und wenig essen. Ein Rezept für körperlichen und psychischen Totalausfall.

Ganzheitliche Fitness beginnt mit Selbstakzeptanz

Fitness beginnt mit Selbstakzeptanz

Ein ganzheitlicher Ansatz von Fitness würde die Psyche mit integrieren. Und er würde Wert auf Selbstakzeptanz legen.

Selbstakzeptanz ist nicht irgendetwas, was erst entstehen sollte, wenn du dein Wunschgewicht hast. Oder ein Six-Pack.

Gerade in der Fitnessindustrie haben viele keine Selbstakzeptanz, obwohl sie schlank sind und ein Six-Pack haben. Weil sie besessen davon sind, noch perfekter zu sein. Weil sie sich mit anderen vergleichen. Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite.

Selbstakzeptanz ist etwas, womit Fitness beginnen sollte.

Erst Selbstakzeptanz befähigt uns dazu auf unseren Körper zu hören. Denn akzeptieren wir ihn nicht, arbeiten wir gegen ihn.

Anstatt also auf das Wunschgewicht oder das Six-Pack zu warten – das vielleicht kommen mag, oder auch nicht – sollten wir lieber vollkommen unvoreingenommen fragen, was wir jetzt, in diesem Moment, brauchen.

Das ist für viele eine 180-Grad-Wendung. Wir sind nämlich gewohnt dem Körper diktieren zu wollen, was er machen soll. Wie viel er schaffen muss, wie lange er etwas zu dulden hat. Wir behandeln unseren Körper wie einen Arbeitsesel. Der arme Esel.

Und genau wie ein Esel, kann auch dein Körper störrisch sein. Aber anstatt zu fragen, was er benötigt, geben wir ihm die Peitsche und hoffen, dass er sich bewegt. Wir wollen sein Verhalten verändern, aber können es nicht. Es bleibt ein Esel.

Fitness fängt im Kopf an

Fitness ist eben nicht nur eine Verhaltensänderung. Denn die Qualität deines Verhaltens wird vom Kopf her bestimmt:

  • Wenn du glaubst, dass dein Körper etwas ist, was du unterwerfen musst, dann wirst du deinen Körper auch so behandeln.
  • Wenn du denkst, die Lösung liegt im nächsten Trainings- oder Diätplan, dann wirst du immer auf der Suche sein.
  • Wenn du meinst, du müsstest mehr Willenskraft aufbringen, um Sport zu treiben und deinen Alltagsstress einfach ausblenden, dann wirst du schnell ausbrennen.

Drehe die Sache doch einfach um. Hört sich das dann nicht besser an? Was wäre, wenn

  • du glaubst, dass dein Körper etwas ist, auf das du hören solltest, anstatt darauf einzuprügeln?
  • du so trainierst und dich ernährst, wie es zu dir, deinem Körper und deinem Alltag passt?
  • du Sport nicht als etwas ansiehst, was du auch noch von deiner To-Do-Liste streichen musst, sondern als etwas, was eine liebgewonnen Tätigkeit darstellt?

Klar, all dies ist kein Garant dafür, dass du „psychisch fit“ bist. Da spielen noch viele andere möglichen Faktoren eine Rolle. Seelische Belastungen lassen sich nicht mal eben so wegdenken.

Aber diese veränderte Sichtweise stellt eine Grundlage für eine langfristig gesunde Beziehung zu deinem Körper und deiner Fitness dar. Sie versetzt dich erst in die Lage die Möglichkeit zu haben nicht nur körperlich, sondern ganzheitlich fit zu werden.

Du hast nur eine begrenzte Energie. Setze sie nicht gegen dich und deinem Körper ein. Was nützt dir schließlich ein Traumkörper, wenn du mit deinem Fitness-Regime deine Psyche untergräbst?

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