Wie viel Protein brauchst du wirklich?

Wie viel Protein am Tag brauchst du wirklich? Ist mehr Protein immer besser?

Protein ist in aller Munde. Wie oft hast du schon gehört, dass du mehr Protein und weniger Kohlenhydrate oder Fett essen sollst, damit du fit wirst, gesund bleibst oder Muskeln aufbaust?

Wir hören diesen mantraartig wiederholten Ernährungsratschlag so oft, dass wir ihn gar nicht mehr in Frage stellen. Im Supermarkt greifen wir zu Eiweißbrot und Protein-Joghurt. Wir tun alles für den Extrakick Eiweiß.

Doch wie viel Eiweiß brauchst du wirklich? Hat eine proteinreiche Ernährung nur Vorteile?

Wie viel Protein wird offiziell empfohlen?

Der empfohlene Referenzwert für die Proteinzufuhr liegt bei Erwachsenen unter 65 Jahre bei 0,8 g pro Kilogramm Körpergewicht am Tag. Da im Verlauf des Lebens die katabolen (abbauenden) Prozesse zunehmen, wurde vorsorglich der Referenzwert für über 65jährige auf 1,0 g pro Kilogramm Körpergewicht angehoben. Rechnen wir das mal aus:

  • Mann mit 75 kg = 60 bis 75 g Eiweiß am Tag
  • Frau mit 60 kg = 48 bis 60 g Eiweiß am Tag

Das ist nicht viel. Und bei dem Referenzwert ist sogar schon ein Puffer mit einberechnet. Wahrscheinlich würdest du sogar mit noch weniger Eiweiß am Tag zurechtkommen, ohne das langfristig irgendwelche gesundheitlichen Probleme auftreten.

Selbst wenn wir gar nicht auf die Eiweißzufuhr achten und uns einigermaßen ausgewogen ernähren, liegen wir in Deutschland, Schweiz und Österreich weit über die empfohlene Verzehrsmenge.

Alles in Ordnung, könntest du meinen. Du brauchst dir also keine Sorgen um die Eiweißversorgung zu machen.

Wenn da nicht die ganzen Ernährungsratschläge wären, die dir sagen, dass du mehr Eiweiß benötigst. Vor allen Dingen, wenn du gesund und schlank sein willst. Oder Muskeln aufbauen möchtest.

Letzteres gilt mittlerweile nicht nur für Bodybuilder. Fast jeder, der ein Fitnessstudio betritt oder aktiv lebt, greift zum Protein-Shake oder ernährt sich generell proteinreich.

Alles gerechtfertigt und wissenschaftlich bewiesen?

Protein und Gesundheit

Protein und Gesundheit

Im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung im Sport- und Fitnessbereich, dass mehr Protein gesund ist und schlank macht, wird die Eiweißzufuhr in der Ernährungsforschung eher kontrovers diskutiert.

Einerseits hat Protein den Vorteil, dass es (bei entsprechender Bewegung) dem Muskelschwund im Alter entgegenwirkt.

Zudem wurde in Studien immer wieder gezeigt, dass Eiweiß länger sättigt, als andere Makronährstoffe. Somit fängst du bei einer Diät direkt zwei Fliegen mit einer Klappe, wenn du die Proteinzufuhr erhöhst: Du wirkst dem Abbau der Muskelmasse entgegen und bist länger satt.

Andererseits zeigen Studien auch, dass ein hoher Proteinverzehr mit einem gesteigerten Krankheitsrisiko einhergeht. Eine proteinarme Ernährung kann anscheinend das Leben sogar verlängern.

Ist das wieder ein Fall, bei dem Ernährungsgurus widersprüchliche Empfehlungen herausgeben?

Nein, dies zeigt nur, dass der Sachverhalt weitaus komplexer ist, als ihn die Fitness- und Gesundheitsindustrie darstellt.

Viel oder wenig Eiweiß? Das „Proteinparadox“

Der Widerspruch, dass viel und wenig Eiweiß beides, Vor- als auch Nachteile, mit sich bringt, wird als „Proteinparadox“ bezeichnet.

Je nach Ziel könntest du dich anders ernähren:

  • Ist dir wichtig, dass du möglichst deine Muskelmasse erhöhst, sowie stark und aktiv durchs Leben gehen kannst? Dann ernähre dich mit einem hohen Proteinanteil.
  • Oder willst du lieber deine Lebenserwartung erhöhen, vielleicht sogar vorsorglich gegen Krebs und andere Krankheiten vorgehen? Dann solltest du lieber weniger Protein zu dir nehmen.

Überspitzt dargestellt verhält es sich so, als hätte uns die Evolution vor die Wahl gestellt:

Entweder bist du ein Fast-Burner mit viel Protein in der Nahrung, der viel Kraft und Energie besitzt – aber nicht lange lebt.

Oder du bist ein Slow-Burner, isst wenig Protein – dafür hast du aber ein langes Leben.

Länger leben durch Proteinverzicht?

Es ist natürlich unmöglich zu „beweisen“, dass ein Verzicht auf Protein einen direkten Einfluss auf die Lebenserwartung hat. So eine Ernährungsstudie wäre einfach nicht durchführbar, denn sie müsste einen lebenslangen Eingriff in die Ernährungsgewohnheit der Probanden gewährleisten.

Stattdessen stammen die Daten meist aus epidemiologischen Studien (großangelegten Umfragen zum Ernährungsverhalten) und aus Versuchen mit Tieren. Der Aussagewert für den Menschen ist natürlich begrenzt. Jedoch bekommt die Theorie Unterstützung durch biochemische Erkenntnisse.

Exkurs: Wie der Protein-Verzicht im Körper wirkt

Wieso kann ein Proteinverzicht vielleicht dein Leben verlängern?

Insbesondere zwei Wachstumsfaktoren spielen hier eine Rolle: IGF-1 (insulin growth factor) und FGF21 (fibroblast growth factor).

IGF-1 spielt eine wesentliche Rolle für das Zell- und Gewebewachstum. Insbesondere tierisches Eiweiß regt die Ausschüttung von IGF-1 an. Wenn du ein Profi-Bodybuilder bist, dann bist du genau daran interessiert. Manche Bodybuilder nutzen dies aus und führen sich direkt IGF-1 als Dopingmittel zu, um Muskelwachstum zu erzeugen.

IGF-1 lässt jedoch nicht nur die Muskelzellen wachsen, sondern alle Zellen. Auch die Krebszellen. Wahrscheinlich löst IGF-1 kein Krebs aus, könnte aber eine Erkrankung beschleunigen.

Für Veganer, wie der amerikanische Arzt Michael Greger (Bestseller „How Not to Die“), ist dies Grund genug auf tierische Produkte zu verzichten. Ähnlich sieht es auch der Gerontologe Valter Longo, der mit seiner Fasten-Diät und einem weitgehenden Verzicht auf tierisches Protein (sowie teuren Ernährungs-Boxen) ein langes Leben verspricht.

Positive Effekte für unseren Stoffwechsel konnten tatsächlich durch den Wachstumsfaktor FGF21 nachgewiesen werden. FGF21 wird auch als „Langlebigkeitshormon“ bezeichnet, weil in Versuchen mit Mäusen die Lebensdauer um bis zu 40% gesteigert werden konnte.

FGF21 entsteht dadurch, dass dem Körper Aminosäuren – also Protein – vorenthalten wird. Insbesondere beim Fasten, oder bei kohlenhydratbetonter Ernährung mit wenig Protein wird FGF21 produziert.

FGF21 optimiert die Stoffwechselfunktionen, steigert die Insulinsensitivität im Muskel und kann so gewichtsreduzierend wirken. Und das vor allem bei hoher Kohlenhydrataufnahme.

Ein Grund mehr nicht auf Kohlenhydrate zu verzichten, wie häufig von Ernährungsgurus propagiert wird.

Protein und Diät

Insbesondere bei einer Diät wird häufig mehr Protein empfohlen. Zum einen, weil dadurch weniger Muskelmasse abgebaut wird. Und wer einen gesunden und gutaussehenden Körper möchte (und wer will das nicht?), der möchte natürlich die Muskelmasse soweit wie möglich behalten, während das Fett schmilzt.

Andererseits wird Protein ein sättigender Effekt nachgesagt, der dabei helfen soll, die Hungerattacken bei einer Diät in den Griff zu bekommen. Wenn du mehr Protein zu dir nimmst – so die Theorie – fühlst du dich schneller gesättigt.

Studien kommen allerdings zu dem Schluss, dass mit beiden Diätansätzen (viel Protein und wenig Kohlenhydrate, oder viel Kohlenhydrate und wenig Protein) gleichermaßen Gewicht abgenommen werden kann.

Es ist also langfristig im Bezug auf den Gewichtsverlust egal, für welche Ernährungsform du dich entscheidest.

Der Teufel steckt jedoch im Detail. Wer neben Gewichtsabnahme auch noch an seiner Gesundheit interessiert ist, sollte lieber bei Diäten mit viel Protein aufpassen.

Denn wir essen ja nicht Protein und Kohlenhydrate, sondern Lebensmittel. Leider wird mit einer Diät, die Proteine zugunsten von Kohlenhydrate bevorzugt, meist sehr viel tierisches Eiweiß verzehrt. Tierisches Eiweiß kommt – wenn du dich nicht nur von Hähnchenfilet und Eiklar ernähren möchtest – meistens auch mit vielen gesättigten Fettsäuren daher.

Viel gesättigte Fettsäuren können eine schlechte Auswirkung auf deine Blutfette und den Cholesterinspiegel haben. Und letztendlich steigt damit dein Risiko für Herz- Kreislaufkrankheiten und Stoffwechselerkrankungen. Die Nr. 1 der Todesursachen in westlichen Industrieländern.

So kommt auch eine Metastudie zu den beiden Ernährungsformen auch zu dem Schluss, dass es einer vorsichtigen Abwägung bedarf, wenn du eine Low-Carb-Diät antreten möchtest.

Möglicherweise tauscht du etwas Gewichtsverlust gegen einen schlechteren gesundheitlichen Gesamtzustand mit Risiko für Herz- Kreislaufkrankheiten ein.

Nierenprobleme durch Protein gibt es nicht. Oder doch?

Nierenprobleme durch Protein?

Fast jeder Ernährungs-„Experte“ aus dem Fitnessbereich wird dir versichern:

„Viel Protein ist überhaupt nicht gesundheitsschädlich. Das viel Eiweiß zu Nierenproblemen führt ist ein Märchen.“

Und wer das Gegenteil behauptet wird belächelt. Ja, es ist geradezu ein Tabu geworden einen hohen Eiweißkonsum für Nierenprobleme verantwortlich zu machen.

Doch Nierenärzte sehen das anders.

Der vielzitierte Nephrologe Kamyar Kalantar-Zadeh und Kollegen veröffentlichten vor einigen Jahren daher eine Art Positionspapier mit dem Titel: „High protein diet is bad for kidney health: unleashing the taboo“ in dem sie genau gegen dieses Tabu angehen wollen.

Das Fazit des Artikels (meine Übersetzung ):

Mit den genannten und anderen Daten wird es nun an der Zeit das Tabu aufzulösen und laut und deutlich zu sagen, dass eine Ernährung reich an Protein nicht so sicher ist, wie es dargestellt wird, da sie die Nierengesundheit beeinträchtigen und bei Personen oder Populationen mit chronischer Nierenkrankheit zu einem rasanten Absinken der Nierenfunktion führen kann.

Wer ein Risiko für Nierenkrankheiten hat (darunter zählen u.a. auch die 30 Millionen alleine in Deutschland mit Bluthochdruck), sollte demnach darauf achten, täglich unter dem Wert von 1 g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht zu bleiben.

Das sollte eigentlich alle nachdenklich machen, die aus gesundheitlichen Gründen keinen Protein-Shake auslassen. Nur weil Protein ein gutes Image hat, sind Unmengen davon nicht unbedingt gesund.

An dem Protein-Image wird hart gearbeitet. Immerhin wurden 2017 alleine in Deutschland über 114 Millionen mit Proteinprodukten umgesetzt. Mit Wachstumsraten im zweistelligen Prozentbereich. Die Kassen klingeln. Negative Presse von Nierenärzten die Klartext reden, kann die Branche nicht gebrauchen.

Protein und Muskelaufbau

Protein und Muskelaufbau

Mal angenommen du bist dir zu hundert Prozent sicher, dass du eine vollkommen gesunde Niere hast und du lässt dich auch nicht davon beeindrucken, dass hoher Proteinkonsum, wie oben gezeigt, eventuell doch zu gesundheitlichen Problem führen kann.

Wie sieht es dann mit dem Muskelaufbau und der Proteinzufuhr aus? Brauchst du wirklich viel Eiweiß, um Muskeln aufzubauen?

Das Thema ist nicht neu. Zumindest so lange Bodybuilding existiert, gibt es die Meinung, dass mehr Protein gleichbedeutend mit mehr Muskeln sei. Entsprechendes Training natürlich vorausgesetzt.

Wenig Protein – mehr Muskeln? Der erste vegetarische Bodybuilder

Einer, der nicht an die Proteinmast glaubt, ist der 1930 geborene Bodybuilder und 5-fache „Mr. Olympia“-Preisträger Bill Pearl.

Trotz seiner außerordentlichen äußeren Erscheinung als „best-gebauter Mann der Welt“ hatte er mit 39 Jahren Blutwerte, die seinen Doktor glauben ließen, dass er kurz vor einem Herzinfarkt stünde.

Pearl änderte daraufhin seine Ernährung und wurde Vegetarier. Zu seiner Verwunderung verbesserte sich nicht nur seine Gesundheit und die Blutwerte, sondern auch seine ohnehin schon beeindruckende Figur.

Bill Pearl - der vegetarische Bodybuilder
Bill Pearl 1956

In einem Bodybuilding-Seminar aus dem Jahre 1997 (hier auf YouTube anzusehen) sagt Pearl (meine Übersetzung und Hervorhebung):

Du brauchst genügend Protein in deiner Ernährung, aber keine exorbitante Menge. Diese Protein-Sache geht jetzt schon über Jahre. Wo du keine Aminosäuren herbekommst ist Luft und Wasser, alles andere hat Aminosäuren. 40 bis 50 Gramm Protein am Tag dürften für jeden in diesem Raum genug sein(!!). Du brauchst keine 200 bis 300 Gramm am Tag um Muskeln wachsen zu lassen.

Hat Bill Pearl übertrieben? Nicht nur der Erfolg im Bodybuilding sollte ihm Recht geben, sondern auch sein Alter. Bill Pearl ist mit über 90 Jahren einer der letzten lebenden Bodybuilder seiner Ära. Und damit ist er der Beweis, dass es doch geht:

Wenig Protein, ein langes Leben und trotzdem eine beeindruckende Muskulatur.

Was sagt die Wissenschaft?

Muskelaufbau ist ein langwieriger Prozess. Du kannst nicht einmal trainieren, einen Protein-Shake trinken und sofort erwarten, dass dein Bizeps das T-Shirt platzen lässt.

Deshalb ist es auch schwierig direkt das Muskeldickenwachstum im Zusammenhang mit der Proteinzufuhr zu erforschen. Das wissen auch die Wissenschaftler. Daher messen sie lieber die Proteinbiosynthese im Muskel.

Die meisten Studien sind so aufgebaut:

  • Die Probanden trainieren.
  • Die Probanden bekommen unterschiedliche Mengen an Protein.
  • Die muskuläre Proteinbiosynthese wird gemessen.

Eine gestiegene muskuläre Proteinbiosynthese ist ein Anzeichen dafür, dass der Muskel in einem aufbauenden Zustand ist.

Generell findet in der Muskulatur ständig ein Auf- und Abbau statt. Aber nach dem Training ist der Muskel natürlich „durstig“ nach Nährstoffen. Wird er dann mit Aminosäuren (also Protein) versorgt, steigen die aufbauenden Prozesse.

Studien dieser Art haben gezeigt, dass die höchste muskuläre Proteinbiosynthese mit einer Eiweißzufuhr von bis zu 2,0 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht am Tag erreicht werden kann.

Danach kommt es anscheinend zu einem Deckeneffekt und die muskuläre Proteinbiosynthese steigt nicht weiter an. Aus diesen Erkenntnissen heraus entstehen dann die Empfehlungen für den Proteinbedarf im Kraftsport.

Die International Society of Sports Nutrition empfiehlt aufgrund dieser Datenlage für den Kraftsportler täglich 1,4 bis 2,0 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht zu sich zu nehmen.

Es gibt aber gute Gründe anzuzweifeln, ob solche Studien aussagekräftig genug sind, um daraus Empfehlungen für die Eiweißzufuhr zum Muskelaufbau abzuleiten.

Viel Protein bedeutet nicht gleich viel Muskeln

Diese Art der Studien belegen eigentlich nur, dass du bis zu 2 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht täglich zu dir nehmen kannst, um die muskuläre Proteinbiosynthese maximal zu steigern.

Das Problem bei der Sache: Eine gesteigerte muskuläre Proteinbiosynthese ist nicht mit Muskelaufbau nach dem Training gleichzusetzen.

Vielmehr scheint es so zu sein, dass die gestiegene muskuläre Proteinbiosynthese nach dem Training (und dem Protein-Shake) dazu dient den Muskel zu reparieren (Original hier, meine Übersetzung):

Wir argumentieren, dass ein anfänglicher Anstieg der muskulären Proteinbiosynthese nach dem Krafttraining sehr wahrscheinlich dazu dient den Muskel aufgrund der Schädigung zu reparieren und auszubessern, und nicht mit einer eventuellen Muskelhypertrophie (Muskelaufbau) nach mehreren Wochen Krafttraining korreliert.

Wenn zwei Trainierende jedes Mal nach dem Training ungefähr mit der gleichen Menge Protein die gleiche Proteinbiosynthese im Muskel aufweisen, heißt das noch lange nicht, dass sie nach einigen Wochen den gleichen Muskelaufbau vorweisen können!

Gerade Non-Responder, also Trainierende die nicht oder nur minimal auf ein bestimmtes Krafttraining reagieren, weisen sogar eine sehr hohe muskuläre Proteinbiosynthese auf. Obwohl sie so gut wie kein Muskelwachstum für sich verbuchen können.

Das liegt daran, dass Non-Responder mehr entzündliche Prozesse nach dem Training aufweisen als „normale“ Trainierende. Die Muskeln von Non-Responder sind „reparaturbedürftiger“.

Kurzum:

Eine gesteigerte Eiweißzufuhr korreliert bis zu einem gewissen Grad nur mit einem erhöhten Umsatz an Protein im Muskel. Der Muskel wird halt repariert. Das heißt aber noch lange nicht, dass es zu einem Muskelzuwachs kommt.

Für den Muskelzuwachs spielen noch viele andere Faktoren eine Rolle. Allen voran die richtige Genetik. Den meisten bringt es wahrscheinlich wenig, viel Protein zu sich zu nehmen, da es einfach nicht für den Aufbau der Muskulatur benötigt wird.

Wie viel Protein brauchst du wirklich für den Muskelaufbau?

Wie du gesehen hast, bedeutet mehr Protein zu essen nicht unbedingt, dass du mehr Muskeln aufbaust. Egal, wie „hart“ du trainierst.

Woran kannst du dann erkennen, wie viel Protein du wirklich benötigst, um Muskeln aufzubauen?

Die Lösung ist eigentlich ganz einfach: Du musst auf deinen Körper hören. Zumindest ohne leistungssteigernde Substanzen wie Anabolika geht das ganz hervorragend.

Wenn du zu viel Protein zu dir nimmst (und damit automatisch weniger Fett oder Kohlenhydrate), ist dein Körper gezwungen das Protein als Energie bereitzustellen.

Eigentlich würde er dafür lieber Kohlenhydrate nehmen, weil sie viel effizienter sind als Protein. Denn um das Protein zu verstoffwechseln muss die Leber zunächst das Stickstoffmolekül entfernen, bevor es aus den Aminosäuren Glucose herstellen kann.

Wenn du den Körper mit Unmengen an Protein belastest, ist es daher für ihn verdammt stressig.

Das merkst du zweierlei:

1. Wenn du zu viel Protein zu dir genommen hast, bekommst du oft Blähungen.

Ich finde immer wieder Artikel im Internet, die dir Hilfestellungen gegen „Proteinfürze“ geben wollen. Da ist alles zu lesen – nur nicht, dass du einfach weniger Protein zu dir nehmen solltest.

Wenn du nach einer Proteinzufuhr Blähungen hast (und keine Verdauungsprobleme mit Milchzucker oder ähnliches), ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass dein Körper mit der Menge Eiweiß nichts anfangen kann und es schnell wieder loswerden will.

2. Wenn du zu viel Protein zu dir genommen hast, bekommst du einen Flüssigkeitsmangel

Nimmst du viel Eiweiß zu dir und musst andauernd urinieren? Viel Stickstoff führt zu erhöhten Harnausscheidungen. Deshalb ist ein weiterer Hinweis darauf, dass du zu viel Protein zu dir nimmst Flüssigkeitsmangel. Du bist dehydriert.

Bodybuilder raten dir dann viel zu trinken. Aber wozu? Nur damit du noch mehr Protein zu dir nehmen kannst, das du nicht brauchst? Wäre es nicht sinnvoller direkt weniger Protein zuzuführen? Dann kommt das Eiweiß wenigstens dort an, wo es hin soll.

Achte also auf diese beiden Punkte. Wenn du dich abwechslungsreich ernährst, reicht der Eiweißgehalt in der Nahrung meist schon aus.

Wenn du durch zusätzliches Eiweiß (zum Beispiel Protein-Shakes etc.) häufiger urinieren musst oder Blähungen hast – lass es weg! Es bringt dir für den Muskelaufbau dann sowieso nichts.

Ich selbst habe so herausgefunden, dass mein Körper mit viel mehr als 1 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht nichts anfangen kann. Egal wie intensiv das Training auch sein mag.

Stattdessen kannst du lieber deine Kohlenhydrataufnahme steigern und viel trinken. Denn Wasser und Glucose braucht dein Muskel auch, damit er optimal funktioniert. Kohlenhydrate sind zudem nicht nur die Lieblingsenergie des Körpers, sondern auch viel preiswerter als Eiweiß.

Eine realistische Proteinzufuhr für den Muskelaufbau

Früher hörte man öfter den Spruch: „Kohlenhydrate haben einen eiweißsparenden Effekt“.

Seitdem das Geschäft mit den Proteinpülverchen boomt hört man ihn nicht mehr häufig. Dabei hat sich die Biochemie nicht geändert und der Spruch stimmt noch immer.

Denn überflüssiges Protein wird einfach nur verstoffwechselt. Mit all den oben genannten Nebenwirkungen. Wenn du aber weniger Protein zu dir nimmst, kannst du sicher sein, dass es da ankommt, wo es auch hin soll. Nämlich in die Muskeln.

Wie viel ist genug?

Die DGE gibt hier realistische Werte an. In ihrem Positionspapier zur „Proteinzufuhr im Sport“ schreibt die Arbeitsgruppe Sporternährung, dass sich aus der Studienlage zum Krafttraining ableiten ließe, dass zusätzlich 15 bis 25 g Protein am Tag genügen.

Das wäre ein halber Protein-Shake oder eine Ofenkartoffel mit Quark zusätzlich, wenn du Krafttraining für den Muskelaufbau betreibst. Das ist nicht viel.

Protein: Fazit und Tipps für deine Ernährung

Fazit: Protein und DEINE Ernährung

Das uns Protein im Übermaß zur Verfügung steht ist eine recht neue Entwicklung. Die meiste Zeit in den letzten 10.000 Jahren kamen wir gut mit einer Nahrung aus überwiegend Kohlenhydraten und pflanzlichen Fetten klar.

Den allermeisten von uns steht heute in der täglichen Nahrung mehr als genug Protein zur Verfügung. Selbst wenn du Fitnesstraining betreibst und Muskeln aufbauen möchtest.

Betreibst du Leistungssport oder nimmst leistungssteigernde Medikamente, sieht es mit der Proteinzufuhr natürlich anders aus. Das hat aber m.E. nichts mehr mit Fitness und schon gar nicht mit Gesundheit zu tun.

Gesundheitlich gibt es gute Gründe bei einer moderaten Proteinzufuhr zu bleiben.

Insbesondere dann, wenn bei dir ein Risiko für Nierenprobleme besteht. Dazu gehört neben Diabetes und Medikamenteneinnahme auch die Volkskrankheit Bluthochdruck und seine Auslöser, wie Stress, Übergewicht und wenig Bewegung.

Auch wenn dir jeder sagt, dass eine hohe Proteinzufuhr in diesem Fall sicher ist – sie ist es nicht.

Wenn du wirklich auf der sicheren Seite bleiben willst, nimmst du nicht viel mehr als 1 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht am Tag zu dir. Das ist eine Menge, die du problemlos ohne Pülverchen und Proteinprodukte aus dem Einzelhandel decken kannst.

Protein in der Praxis

Viele von uns glauben, dass sie bei der Ernährung extra auf ihre Portion Protein achten müssen, damit sie genug davon bekommen.

Die Frage „Wo auf dem Teller ist mein Protein?“ stellt sich mittlerweile nicht nur der Bodybuilder, sondern fast alle, die an Fitness und Gesundheit interessiert sind.

Kennst du Grafiken, wie diese hier?

Protein als Lebensmittelgruppe

Wenn du solche Grafiken siehst, könntest du meinen, wir ernähren uns von einzelnen Lebensmittelgruppen, die wir niedlich auf unseren Teller anrichten können. Machen wir aber nicht. Wir ernähren uns von Essen.

Und wie Bill Pearl schon überspitzt sagte: Überall sind Aminosäuren zu finden, nur nicht in der Luft und im Wasser.

Hier mal ein Beispiel aus der Praxis. Das hier habe ich gestern gegessen:

Frühstück
1. Frühstück: Haferflocken mit Hafermilch, Rosinen und Schokolade. Dazu ein Apfel.
Mittagessen
2. Mittagessen: Gerste mit Broccoli, Paprika und Champignons an einer Hoisin-Sauce
Abendessen
3. Abendessen: Italienische Tomaten-Bohnensuppe. Dazu zwei Toastscheiben mit Hummus.

Kein Steak, kein Hähnchenfilet – und auch kein Tofu oder anderer Fleischersatz. Keine Milchprodukte. Die meisten würden mir attestieren, dass ich offensichtlich keine einzige Quelle mit hohem Proteingehalt zu mir genommen habe.

Trotzdem konnte ich dadurch meinen Proteinbedarf mehr als decken.

Ich habe den Proteingehalt für das Frühstück, das Mittagessen und das Abendessen ausgerechnet (mittels cronometer).

Hier sind die Ergebnisse für den Eiweißgehalt in den drei Gerichten:

Protein in der Nahrung

Knapp 78 g Protein habe ich zu mir genommen. Dies entspricht sogar ein klein wenig mehr als 1 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht. Und das gänzlich ohne „richtiges Protein“ auf dem Teller zu haben.

Der Bedarf der einzelnen Aminosäuren wurde zum großen Teil um das doppelte überschritten. Ein Mangel ist nicht zu befürchten.

Dabei komme ich mit den drei Gerichten auf gerade einmal 1850 kcal. Ich könnte für eine ausgeglichene Energiebilanz also knapp 600 kcal zusätzlich essen.

Trotzdem hatte ich schon mehr als genug Protein!

Wie du siehst, ist es nicht schwer den Proteinbedarf in der Praxis zu decken. Eigentlich müssten wir uns gar keine Gedanken über das Nahrungsprotein machen. Protein ist zwar wichtig.

Aber in unserer Ernährung – selbst wenn sie rein pflanzlich wäre – ist genügend Protein vorhanden.

Wir machen uns viel zu viel Stress, wenn es um das Thema Ernährung geht. Auch die Wichtigkeit der Proteinzufuhr wird eher überschätzt, denn die meisten von uns nehmen schon mehr als genug Protein zu sich.

Zeit mir eine Tafel Schokolade zu gönnen.

Quellen:

Samantha M. Solon-Biet et al: Defining the Nutritional and Metabolic Context of FGF21 Using the Geometric Framework. In: Cell Metabolism, Vol. 21/4 2016.

Kamyar Kalantar-Zadeh et al: High-Protein diet is bad for kidney health: unleashing the taboo. In: Nephrol Dial Transplant (2020) 35: 1–4.

D. König et al: Proteinzufuhr im Sport. Enährungs Umschau 2020; 67(7), 132-139.

Alain J. Nordmann et al: Effects of Low-Carbohydrate vs Low-Fat Diets on Weight Loss and Cardiovascular Risk Factors. Arch Intern Med. 2006;166(3):285-293.

Felipe Damas et al: The development of skeletal muscle hypertrophy through resistance training: the role of muscle damage and muscle protein synthesis. March 2018

S. Klaus et al: The protein paradox. How much dietary protein is good for health? Ernahrungs Umschau 65(2): 42-47

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