Fitness verbessern durch somatische Intelligenz.

 

Stell dir vor, es gäbe eine Methode, die deine Fitness erheblich verbessern würde. Du könntest erfolgreicher Muskeln aufbauen und deine Ausdauer steigern.

Diese Methode hätte absolut keine Nebenwirkungen. Im Gegenteil, du stärkst damit sogar deine Gesundheit und schützt dich vor Unfällen und Verletzungen.

Und obwohl diese Methode besser wirkt als die meisten Nahrungsergänzungsmittel für Sportler, wäre sie absolut kostenlos und immer verfügbar.

Würdest du so eine Methode ausprobieren wollen? Wahrscheinlich schon, oder?

So eine Methode gibt es!

Diese Methode könnte als „Wahrnehmungstraining“ bezeichnet werden. Mit einer verbesserten Körperwahrnehmung kannst du nämlich weitaus effizienter und sicherer trainieren.

Profisportler besitzen eine hohe somatische Intelligenz und wenden diese Methode schon fast intuitiv an.

Aber auch wir Freizeitsportler können daran arbeiten, unsere somatische Intelligenz zu verbessern. Denn durch eine bewusste Körperwahrnehmung lassen sich unsere Fitnessziele besser und effektiver erreichen.

Leistungssportler haben sich durch jahreslanges Training eine somatische Intelligenz erworben, die stark mit der Körperwahrnehmung verwoben ist. Somatische Intelligenz verweist auf die Fähigkeit, sensorische Informationen, die der Körper dir liefert, zu verarbeiten und motorische Fähigkeiten zu koordinieren. 

Leistungssportler können also Informationen, die ihnen der Körper bereitstellt, besser abrufen und trainingsspezifisch entsprechend darauf reagieren.

Sie verstehen ihren Körper besser, können Bewegungen weitaus präziser ausführen und die Grenzen ihrer Belastbarkeit und Regenerationsbedarf besser einschätzen. 

Eine Profi-Läuferin weiß beispielsweise, welche Belastungsumfänge sie benötigt, um für einen bestimmten Wettbewerbstermin ihre Spitzenleistung abrufen zu können. Auch ein Profi-Bodybuilder kennt seinen Körper so genau, dass er weiß, wie sich bestimmte Nahrungsmittel und Übungen auf seinen Körper auswirken.

Wenn du eine ausgeprägte somatische Intelligenz besitzt, dann weißt du genau, was dein Körper benötigt, um ein bestimmtes Trainingsziel zu erreichen.

Somatische Intelligenz ist jedoch nicht nur dem Leistungssport vorenthalten. Auch als Freizeitsportler hast du die Möglichkeit bessere Ergebnisse im Fitnesstraining zu erzielen, wenn du deine Körperwahrnehmung schulst.

Auch für eine Verletzungsprävention ist die somatische Intelligenz von Vorteil. Du erkennst z. B. schneller Imbalancen der Muskulatur, weißt wie viel Training du verträgst und kannst auf das Training so einwirken, dass es erst gar nicht zu Schmerzen oder Verletzungen kommt. 

Auch wenn viele wissen, dass sie mit einer bewussten Körperwahrnehmung ihre Fitness verbessern können, handeln sie im Training nicht entsprechend. 

Kein Wunder, denn meistens wird Fitness als eine Sache der Zahlen betrachtet. Es zählt, wie hoch das Gewicht auf der Hantel ist, ob du mehr Wiederholungen mit deinem Trainingsgewicht geschafft hast, oder wie schnell und wie weit du gelaufen bist. 

Die sind jedoch alles äußere Faktoren, die im Fitnesssport eher eine untergeordnete Rolle spielen sollten. Sie stammen aus einer Wettbewerbslogik des Profisports. 

Doch im Fitnesssport stehst du nicht im Wettbewerb. Auch nicht mit dir selbst. 

Vielmehr solltest du mit deinem Körper arbeiten – nicht dagegen.

Viele trainieren ohne bewusster Körperwahrnehmung

Maschinentraining

Wenn du dich heute im Fitnessstudio umschaust, dann siehst du viele Leute, die einfach nur die Bewegungen nachahmen. „Going through the motions“, wie es im Englischen heißt. 

Im Krafttraining sind sie beispielsweise nicht aufmerksam bei der Sache, spüren nicht in den Muskel hinein

Gerade das Maschinentraining verleitet dazu, weil du in der Maschine an einer festen Bewegungsführung gebunden bist. 

Aber auch ein Training an Hanteln oder mit dem eigenen Körpergewicht kannst du rein mechanisch ausführen. Zwar musst du dich hier nicht an einer festen Bewegungsführung halten, doch schnell kannst du deinen passiven Bewegungsapparat stark belasten, wenn du unaufmerksam und ohne bewusster Körperwahrnehmung trainierst. 

Die Verletzungsgefahr steigt stark an. Deine Sehnen und Bänder werden enorm belastet. Insbesondere dann, wenn du mit viel Schwung oder im falschen Bewegungsumfang trainierst. 

Viele, die sich an Hantel- oder Körpergewichtstraining probiert haben und Probleme mit den Sehnen und Gelenken bekamen, gehen daher wieder zurück zum Maschinentraining. Sie fühlen sich dort einfach „sicherer“. 

Anschließend wundern sie sich, dass sie keine Erfolge verbuchen können und ihre Fitnessziele nicht erreichen.

Verstehe mich nicht falsch, Maschinentraining ist gut – aber wenn du ohne Körperwahrnehmung einfach nur die vorgegebenen Bewegungen durchführst, dann wirst du keine Lorbeeren ernten können.

Den meisten Freizeitsportlern fehlt es einfach an guter Körperwahrnehmung

Dabei ist eine gute Körperwahrnehmung die Grundlage, damit du deine somatische Intelligenz verbessern kannst und so deine Fitnessziele überhaupt erreichst.

Dein Hirn steuert die Muskeln

Aber woran liegt es, dass so wenige Freizeitsportler ihre Wahrnehmung schulen? 

Wahrscheinlich weil ihnen gesagt wird, dass sie sich auf äußere, messbare Dinge konzentrieren sollen: Trainingsgewichte, Sätze, Wiederholungen, Kilometer, Zeit usw. 

Sie quantifizieren das Fitnesstraining und verlassen sich auf Zahlen und nicht auf den eigenen Körper. Als ob Zahlen mehr wüssten als sie selbst.

Mit Sicherheit spielen äußere Faktoren, wie das Trainingsgewicht im Muskelaufbautraining, auch eine Rolle. Aber sie sind sekundär zu einer bewussten Körperwahrnehmung. 

Muskeln werden letztendlich neuronal angesteuert und nicht durch die Trainingsgewichte selbst. Dein Hirn entscheidet also, ob und wie stark deine Muskeln innerviert werden. 

Das gilt übrigens auch für den Ausdauersport. Alle Bewegungen sind schließlich muskulär. 

Das Verständnis darüber, dass dein Hirn die Muskeln steuert und das entsprechende Signal zur Anpassung gibt, ist die Voraussetzung für eine verbesserte Körperwahrnehmung.

Kleines Experiment: Bewusst die Muskeln aktivieren

Um zu verstehen, dass es nicht die schweren Trainingsgewichte sind, die deine Muskeln erschöpfen (und somit einen Reiz zum Muskelaufbau setzen), sondern eben dein Hirn, kannst du folgendes Experiment ausführen: 

  1. Setze dich auf einen Stuhl. Der Stuhl sollte so hoch sein, dass deine Beine einen 90 Grad Winkel bilden. Deine Füße stehen fest auf den Boden. Deine Beine stehen ungefähr hüftbreit auseinander.
  2. Nun spanne so stark wie möglich deine Oberschenkelmuskulatur an. Falls du nicht weißt, wie du das machen sollst, dann stell dir einfach vor, dass du den Fußboden mit deinen Fersen und dem Mittelfuß wegschieben willst. Halte nun diese Spannung so stark wie möglich in deinen Oberschenkeln während der ganzen Übungsausführung (das ist nicht einfach, wenn du das zum ersten Mal machst).
  3. Jetzt stehe ganz langsam auf, indem du intensiv gegen den Boden drückst. Halte die starke Spannung weiterhin aufrecht und lasse nicht locker. Kurz bevor du die Beine ganz gestreckt hast, setzt du dich wieder ganz langsam hin.
  4. Halte weiterhin die Spannung und mache so insgesamt 15 bis 20 Wiederholungen. Dann pausierst du für 2 Minuten und wiederholst alles noch einmal.

Selbst wenn du im Fitnessstudio beispielsweise mit der Beinpresse trainierst, wirst du merken, wie intensiv und anstrengend dieses Experiment ist – obwohl du nur von einem Stuhl aufstehst und dich wieder setzt! Wundere dich nicht, wenn du am nächsten Tag sogar Muskelkater in den Beinen hast.

Alleine dein Hirn hat hier die hohe Spannung erzeugt. Keine äußeren Trainingsgewichte (bis auf dein Körpergewicht, das du ohnehin jeden Tag mit dir herumschleppst).

Muskelaufbau: Von der mind-muscle-connection zur somatischen Intelligenz

Mind-muscle-connection

Wenn du dich mit dem Muskelaufbau beschäftigt hast, dann kennst du bestimmt den Begriff „mind-muscle-connection“. Wenn du deine mind-muscle-connection einsetzt, dann versuchst du gezielt durch Konzentration die Zielmuskulatur einer bestimmten Übung anzusprechen. Zum Beispiel den Bizeps bei einem Bizeps-Curl. 

Auch hier nutzt du die neuronale Verbindung zwischen Hirn und Muskulatur aus. Die mind-muscle-connection verbessert nachweislich nicht nur die Bewegungsqualität und Kontraktion der Zielmuskulatur, sondern letztendlich auch den Muskelaufbau.

Der Muskel wird dadurch stärker und intensiver belastet – selbst wenn du weniger Gewicht als üblich nutzt (um den Muskel richtig zu spüren, ist es ohnehin unumgänglich das Trainingsgewicht zu reduzieren). 

Auch wenn einige Trainierende die mind-muscle-connection schon für Übungen wie Bizeps-Curls anwenden, solltest du, wenn du deine Körperwahrnehmung im Training erweitern möchtest, die mind-muscle-connection für sämtliche Übungen und Muskelgruppen einsetzen.

Das gilt insbesondere auch für die Muskeln der Körperrückseite. Viele haben Probleme die Rücken- und Gesäßmuskulatur, sowie die Muskeln der Oberschenkelrückseite zu spüren und zu aktivieren. 

Konzentriere dich auf die korrekte Übungsausführung und darauf die Zielmuskulatur zu kontrahieren. Wenn du beispielsweise Kniebeugen machst, solltest du nicht nur deine vordere Oberschenkelmuskulatur spüren, sondern die Gesäßmuskulatur, deine Bauchmuskulatur und sogar bei der exzentrischen Bewegung (wenn du in die Hocke gehst) die Oberschenkelrückseite. 

Übe dich darin mit leichten Widerständen und vielen Wiederholungen (egal ob mit dem eigenen Körpergewicht, Hanteln oder an Maschinen) und du wirst merken, dass du die muskulären Reize für den Aufbau viel besser setzen kannst, als wenn du ewig auf das Trainingsgewicht schielst. 

Hast du so nach einiger Zeit eine gesteigerte mind-muscle-connection entwickelt, ist der erste Schritt für eine bessere somatische Intelligenz getan: Du kannst dich besser in deine Muskeln „hineinspüren“ und wirst auch eher auf körpereigene Signale reagieren.

Kleines Experiment 2: Liegestütze mal ganz anders

Liegestütze sind eine wunderbare Übung um die Brust, vordere Schulter und den Trizeps zu stärken. 

Aber wenn du bewusst mit der mind-muscle-connection trainierst, kannst du auch die Bauch- Gesäß- und sogar die Rückenmuskulatur involvieren und daraus fast eine Ganzkörperübung machen. Gehe dazu wie folgt vor:

  1. Gehe in die Ausgangsposition eines Liegestütz. Die Füße sind nah beieinander aufgestellt (wenn dir ein „normaler“ Liegestütz zu intensiv ist, kannst du die Übung auch auf Knien ausführen). Die Hände sind schulterbreit mit gespreizten Fingern auf Brusthöhe aufgesetzt und zeigen nach vorne. Ziehe deine Schulterblätter nach unten (vom Kopf weg). Deine Ellbogen sollten nur leicht nach außen zeigen (hier eine ausführlichere Beschreibung).
  2. Spanne deine Bauchmuskulatur an. Dann die Gesäßmuskulatur (stell dir vor, du müsstest mit deinen Pobacken einen Bleistift halten). Halte die Spannung über die gesamte Übungsausführung. Kopf, Schultern, Po und Füße bilden fast eine gerade Linie.
  3. Senke jetzt langsam den Oberkörper ab. Stell dir allerdings dabei vor, dass deine Hände am Boden festgeklebt sind und du den Boden zu dir ziehst. Wenn du es richtig machst, aktivierst du dadurch deine obere Rückenmuskulatur.
  4. In der Endposition angelangt, gehst du jetzt wieder mit dem Oberkörper nach oben. Stell dir nun vor, dass eine Seilwinde, die am Rücken befestigt ist, dich nach oben zieht, während du dich dagegen mit etwas Widerstand wehrst. Diese seltsame Anweisung hat zum Ziel sowohl die Brust-, als auch die obere Rückenmuskulatur gleichzeitig anzusprechen.

Es ist nicht ganz einfach dieser Übungsanweisung zu folgen. Aber mit etwas Übung wirst du merken, dass du nun fast die gesamte Oberkörpermuskulatur gleichzeitig kontrahieren kannst. Du kannst dir vorstellen, dass Liegestütze so ausgeführt eine ganz andere Nummer darstellen, als „irgendwie“ so viele Liegestütze wie möglich zu machen. 

Du siehst, dass die Anzahl der Wiederholungen weniger entscheidend für ein effizientes Training ist. Weitaus wichtiger ist, wie gut du die Muskulatur ansprechen kannst.

Somatische Intelligenz im Ausdauersport

Somatische Intelligenz: Auch für den Ausdauersport relevant

Das Hirn steuert die Muskeln. Somatische Intelligenz bringt daher nicht nur etwas im Muskelaufbautraining, sondern auch im Ausdauersport. 

Um deine somatische Intelligenz z.B. beim Laufen zu verbessern ist es wichtig, dass du ein hervorragendes Körperbewusstsein entwickelst. So kannst du dich beispielsweise auf die Körperhaltung und den Bewegungsablauf konzentrieren: 

  • Wie berühren deine Füße den Boden? Streckst du deine Vorderfuß zu weit nach vorne, dann trittst du mit der Ferse zuerst auf und erhöhst damit dein Verletzungsrisiko. 
  • Wie ist deine Schrittlänge? Freizeitläufer sollten lieber eine geringere Schrittlänge bevorzugen und eher die Schrittfrequenz erhöhen. Eine Schrittfrequenz von ca. 160 Schritten pro Minute gilt als besonders gut. 
  • Auch hier ist eine gute mind-muscle-connection von Vorteil. Konzentriere dich auf eine Aktivierung der Bein- und Hüftmuskulatur. Spanne deine Bauch- und Gesäßmuskulatur leicht an. 

Passe deine Körperhaltung und dein Bewegungsablauf immer wieder entsprechend an. So läufst du nicht nur viel besser, sondern vermeidest darüber hinaus auch Verletzungen.

Für eine gute Fitness ist beides wichtig: Ausdauersport und Krafttraining. Durch die Entwicklung deiner somatischen Intelligenz wird automatisch die Leistung und Effizienz beider Trainingsarten erfolgreich verbessert: Die Entwicklung einer mind-muscle-connection im Krafttraining kommt dir auch beim Laufen zugute und umgekehrt.

Somatische Intelligenz im Training: Nichts für besonders Ungeduldige

Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass der Erwerb von somatischer Intelligenz im Training ein Prozess ist, der etwas Zeit benötigt. Du kannst nicht von heute auf morgen „mal eben“ deine Körperwahrnehmung und mind-muscle-connection „optimieren“. 

Neuronale Prozesse benötigen Zeit zum Erlernen. Keiner würde erwarten, dass du vom Rechts- zum Linkshänder wirst, wenn du dich kurz darin übst mit der anderen Hand zu schreiben. 

Das ist in unserer schnelllebigen (Fitness-) Kultur ein Problem. Wenn du diesen Artikel bis hierhin gelesen hast, dann ist deine Aufmerksamkeitsspanne wahrscheinlich schon größer als die der meisten Internetbenutzer. 

Der nächste Blog, Podcast, oder das nächste Video warten schon mit neuen Ideen. Da ist es schwierig bei einer Sache zu bleiben.

Wenn du es aber tatsächlich schaffst, konsequent und über einen längeren Zeitraum deine somatische Intelligenz zu schulen, dann bin ich davon überzeugt, dass das weitaus mehr für deine Fitness bringen wird, als sämtliche TikTok-Videos, Nahrungsergänzungsmittel und Trainingssysteme zusammen. 

Falls du noch ein Trainingsprogramm mit einfachen Bodyweight-Übungen für zu Hause suchst, findest du im minimalistischen Home-Workout den richtigen Einstieg ins körperbewusste Training zur Entwicklung einer guten somatischen Intelligenz.

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