Wie lange dauert ein optimales Workout? Wie lange muss die Trainingseinheit sein, damit du Muskeln aufbauen und Fett abbauen kannst?
Der Buchmarkt kennt die Antwort:
„12 Minuten pro Woche“
„Fit in 9 Minuten“
„Fit in 4 Minuten“
Die Bücher wollen sich scheinbar gegenseitig zeitlich unterbieten. Kannst du wirklich in 4, 9 oder nur 12 Minuten in der Woche fit werden? Wird das Versprechen eingehalten, auch wenn dein Workout nur ein paar Minuten lang ist?
Oder musst du doch mindestens eine halbe Stunde trainieren, damit du richtige Erfolge siehst? Denn von nichts kommt ja schließlich nichts, oder?
In Wahrheit hat die optimale Dauer eines Workouts rein gar nichts mit der Minutenzahl zu tun. Du kannst 4 Minuten oder 45 Minuten trainieren – und doch keine Erfolge sehen.
Worauf es wirklich ankommt und wie lange das optimale Workout tatsächlich sein sollte, erfährst du in diesem Artikel.
Nur die wenigsten können und wollen ihr halbes Leben auf Fitness ausrichten. Wir möchten fit sein – und das mit einem möglichst geringen Zeitaufwand.
Das weiß auch die Fitnessindustrie und sie bedient gerne dieses Problem. Das Ergebnis: Überall finden wir kurze, schmerzhafte Workouts. Sie sind schweißtreibend und intensiv, aber dafür dauern sie nicht lange.
Aber bringen so kurze Workouts wirklich was?
4 Minuten Hölle: HIIT – ein optimales Workout?
Mit einer Studie vor zwanzig Jahren fing es an. Der Japaner Izumi Tabata schaffte das, was ansonsten nur Tempo oder Kleenex schafften. Wenn heute von Tabata-Training die Rede ist, weiß jeder Fitness-Fan was gemeint ist: Ein hochintensives Intervalltraining (HIIT) mit 20 Sekunden Belastung und 10 Sekunden Erholung über einen kurzen Zeitraum von nur 4 Minuten.
Die Crux an der Sache: Um in nur 4 Minuten gleiche Erfolge zu haben, wie bei einer längeren Trainingseinheit, musst du bis an deine Belastungsgrenze gehen! Das Gaspedal also voll herunterdrücken und bis zum Maximalpuls trainieren.
Das ist weder ein Spaziergang, noch vollkommen unbedenklich. Nicht nur bei älteren, sondern auch bei jüngeren Menschen muss das Herz-Kreislaufsystem tipptopp sein, damit man sich so einen „Spaß“ erlauben kann.
Ohne vorheriger medizinischer Leistungsdiagnostik ist ein echtes Tabata-Training nicht zu empfehlen. Vor allem nicht für Freizeitsportlern, denen es nur um etwas Fitness geht.
Die Frage ist auch, ob Tabata-Training wirklich eine Alternative zu anderen Trainingsmethoden darstellt. Es ist höchstens eine Ergänzung für Sportler im oberen Leistungssegment.
HIIT in der Praxis: Meist kein richtiges HIIT
Kein Profisportler gibt immer Vollgas – aber als Freizeitsportler sollst du jedes Mal bis an deine Reserven gehen? Das ist nicht empfehlenswert.
Das weiß eigentlich auch der Fitnessmarkt, daher sind die meisten HIIT-Workouts, die du im Internet oder in Büchern siehst, keine „echten“ HIIT-Workouts.
Hier wird nur mit dem Label „hochintensiv“ geworben, um dir eine vermeintliche Lösung für dein Zeitproblem beim Training zu bieten.
Die meisten dieser Workouts, die für Freizeitsportler angeboten werden, sind vielleicht verdammt anstrengend, aber nicht hochintensiv. Sie gehen nicht bis zur äußersten Belastungsgrenze.
Und das ist auch gut so.
Aber was dir die Trainingsbücher nicht verraten, wenn sie mit HIIT werben: Du kannst von einem kurzen, anstrengenden Workout, dass nicht bis zur Belastungsgrenze geht, nicht die gleichen Ergebnisse erwarten, wie von einem richtigen HIIT-Training.
Trotzdem werden Studien, wie die von Izumi Tabata und Co., benutzt, um die Ergebnisse eines 4- oder 9-minütigen anstrengenden, aber keinesfalls „echten“, HIIT-Trainings zu legitimieren.
In den meisten Fällen ist das Stichwort HIIT nur eines: Ein Marketing-Coup.
In vielen Fällen hält ein HIIT-Workout sowieso nicht, was es verspricht. Selbst wenn du extrem intensiv trainieren würdest (mehr dazu findest du im Artikel „Warum du auf HIIT verzichten solltest“).
Kurz, aber schmerzhaft: Krafttraining mit HIT
„Go hard or go home“ ist ein beliebter Spruch in Krafttrainingskreisen. Ich glaube immer noch nicht, dass T-Shirtsprüche eine gute Trainingsphilosophie darstellen.
Aber das High Intensity Training (kurz HIT) hat daraus eine Trainingsphilosophie gemacht.
Mit HIT-Training kannst du angeblich mit sehr kurzen Trainingseinheiten den gleichen Effekt erzielen, wie mit anderen Krafttrainingsmethoden. Auch hier tauscht du Zeit gegen Trainingsintensität ein.
Arthur Jones (1926-2007), der „Urheber“ dieser Methode (und Erfinder der Nautilus-Trainingsmaschinen), ging davon aus, dass du nur einen einzigen, sehr intensiven Trainingssatz benötigst, um die Muskulatur ausreichend zu stimulieren.
„Du kannst den Nagel mit einem einzigen intensiven Schlag in die Wand schlagen, oder mit ganz vielen leichten Schlägen: Das Ergebnis ist dasselbe.“
So, oder ähnlich lauten seine berühmten Analogien.
Allerdings sagte er auch: „Wenn du noch nie von Bizeps-Curls gekotzt hast, dann hast du noch nie richtig Bizeps-Curls gemacht.“
Arthur Jones war ein exzentrischer Macho durch und durch. Er inszenierte sich gerne als tougher, starker und kettenrauchender Held. Wenn er nicht gerade an Trainingsmaschinen bastelte, dann verdiente er sein Geld damit, Raubtiere für Zoos zu fangen und für Tierdokumentationen mit Alligatoren zu ringen.
Es ist also mehr als passend, dass gerade er eine Trainingsmethode erfand, die so intensiv war, dass selbst Arnold Schwarzenegger davor flüchtete.
Aber Totgeglaubte leben länger. Und so hält sich seine Theorie bis heute. Und angeblich kann man mit ihr in nur 12 Minuten in der Woche fit werden, wenn ich einen Buchtitel zur HIT-Methode glauben darf.
HIT funktioniert für die meisten von uns nicht sonderlich gut
Fakt ist: Für die meisten von uns funktioniert leider HIT im Krafttraining nicht sonderlich gut. Aus dem einfachen Grund, weil das Trainingsvolumen ein wichtiger Faktor für den Muskelaufbau und Muskerlerhalt ist.
Wenn du nicht gerade die allerbeste Genetik für den Muskelaufbau aufweist (und die Chance ist mehr als groß, dass du sie nicht besitzt), dann brauchst du mehr Trainingsvolumen, um den Muskel adäquat zu erschöpfen und den richtigen Reiz zu setzen.
Der Muskel ist eben kein Nagel.
Und auch psychologisch macht ein Training mit mehreren Sätzen Sinn. Zumindest gehe ich davon aus, dass die meisten nicht so masochistisch sind und gerne während des Trainings ihren Mageninhalt entleeren wollen. Da tausche ich gerne etwas mehr Zeit gegen etwas weniger Intensität.
Weder HIIT noch HIT sind Trainingsmethoden, die viele von uns über einen längeren Zeitraum durchhalten würden. Auch wenn du „Zeit sparst“, frage ich mich:
Würdest du so ein Training wirklich konsequent durchhalten? Woche für Woche? Monat für Monat?
Kannst du dich wirklich jedes Mal zu so einer hohen Intensität durchringen? Schaffst du es in jeder Trainingseinheit so intensiv wie nötig zu trainieren?
Die meisten Profisportler unterscheiden zwischen einer Spitzenleistung und dem Grundlagentraining. Das Grundlagentraining ist möglicherweise anstrengend, aber nicht vollkommen erschöpfend. Die meiste Zeit verbringen Profis mit Grundlagentraining.
Um eine Spitzenleistung abrufbar zu machen, wie zum Beispiel bei einem sportlichen Wettkampf, wird oftmals monatelang darauf hin trainiert.
Unter dieser Sichtweise ist es geradezu lächerlich zu glauben, dass wir als Freizeitsportler in jedem Workout eine Spitzenleistung hinlegen könnten!
Um deine Belastung zu steuern brauchst du keine Uhr
Müssen wir also unsere Trainingsintensität herunterschrauben? Sollten wir auf kurze, hochintensive Workouts verzichten und einfach länger trainieren?
Ja, auf jeden Fall.
Allerdings auch nur bis zu einem gewissen Grad. Irgendwann handeln wir uns auch damit Probleme ein.
Denn je höher die Belastungsumfänge im Training, desto größer ist auch die allgemeine Erschöpfung.
Wenn du also von zwei oder drei Trainingssätzen pro Übung im Krafttraining auf fünf oder mehr Sätze erhöhst, ist die allgemeine Erschöpfung viel größer – auch wenn du weniger intensiv trainierst.
Ähnlich ist es im Ausdauertraining. Läufst du zum Beispiel regelmäßig 5 Kilometer, aber erhöhst die Trainingsstrecke nun auf 15 Kilometer – so ist die allgemeine Erschöpfung höher.
Klar kannst du dich langsam und stetig an einen höheren Belastungsumfang gewöhnen. Wenn du beispielsweise irgendwann einen Marathon schaffen möchtest, dann ist es natürlich sinnvoll nach und nach mit einer längeren Trainingsstrecke zu trainieren.
Aber wie sieht es damit aus, wenn du einfach fit werden möchtest? Wenn du ein paar Muskeln auf- und etwas Fett abbauen möchtest? Wie sieht dann die optimale Dauer eines Workouts aus?
In so einem Fall hat die Dauer des Workouts nichts mit einer festen Minutenzahl zu tun. Du könntest 4 Minuten oder 45 Minuten trainieren und trotzdem nicht erfolgreich sein.
Denn um deine Belastung für dich optimal zu steuern brauchst du keine Uhr. Du brauchst etwas gänzlich anderes.
„Wir können nicht das erfahren, was wir zu imitieren versuchen.“
Chögyam Trungpa
Im Internet findest du viele Trainingspläne. Manche sind gut, manche eher schlecht. Auch auf meiner Seite gibt es Trainingsprogramme, die ich nach besten Wissen und Gewissen zusammengestellt und ausführlich für dich getestet habe.
Wenn ich ehrlich bin, kann ich dir trotzdem keine Erfolgsgarantie geben und dir sagen, dass du damit garantiert in kurzer Zeit fit wirst, 10 Kilo abnimmst oder Muskeln aufbaust.
Warum nicht?
Weil mir ein maßgebliches Puzzlestück fehlt: Das Wissen darüber, wie DU den Plan umsetzt.
Ein Trainer könnte mit gezielten Fragen versuchen herauszufinden, ob du „richtig“ trainierst (deshalb biete ich dir immer an, dass du mir schreiben kannst).
Ich sehe trotzdem, beispielsweise in Fitnessstudios, wie viele einfach nur die Bewegungen durchgehen, die ihnen vorgegeben wurden.
Dabei besteht ein großer Unterschied darin, ob du ein Workout einfach imitierst oder tatsächlich eine Erfahrung damit machst.
Du imitierst ein Workout nur, wenn du:
- das Training einfach „abarbeitest“, obwohl du eigentlich keine Lust hast oder du es als Pflicht empfindest.
- weder auf die Ausführung des Trainings achtest, noch wie es auf dich wirkt.
- unkonzentriert oder müde bist.
- nur auf Zahlen (Kilometer, Gewicht, Kalorien), anstatt auf deine Körpersignale achtest.
Stattdessen „erfährst“ du ein Workout, wenn du:
- dein Training konzentriert und achtsam durchführst.
- auf deine Übungsausführung achtest und sie ggf. anpasst.
- auf deine Körpersignale (momentanes Befinden, Allgemeinzustand, Ermüdung, Spannung in der Zielmuskulatur) eingehst.
- weniger auf Zahlen hörst.
Fitness ist nichts, was du einfach passiv erreichen kannst.
Etwas, was du geschenkt bekommst, wenn du mechanisch durchs Workout gehst.
Du musst etwas von dir selbst in das Workout hineingeben.
Erst wenn du der Übung die volle Aufmerksamkeit schenkst, schaffst du die Grundlage dafür Erfahrungen mit dem Workout zu sammeln und du hörst auf es zu imitieren.
Du musst darüber hinaus bereit sein dich von deinen Trainingsplan zu lösen, wenn deine Körpersignale darauf hindeuten. Was bringt es dir die Beine zu trainieren, wenn du noch einen Muskelkater von der langen Radtour vorgestern hast? Oder wenn du vollkommen übermüdet bist?
So wie auch die Belastungsumfänge, Intensität und viele andere Faktoren individuell sind, so hängt auch die Dauer eines für dich optimalen Workouts von dir ab.
Die Dauer eines für dich optimalen Workouts richtet sich nicht nach einer festgesetzten Minutenzahl.
Was nützt dir ein Workout von 45 Minuten, wenn du schlecht geschlafen hast, und dich nach 15 Minuten nicht mehr auf das Workout konzentrieren kannst?
Du würdest einfach durch die Bewegungen gehen, es imitieren, anstatt wirkliche Erfahrungen zu machen.
So wirst du nicht fitter! Du hättest einfach nur Energie verschwendet.
Richte also den Trainingsaufbau nach deiner Konzentrationsfähigkeit, nicht umgekehrt. Nur so lange du die Aufmerksamkeit aufbringen kannst, konzentriert zu trainieren, trainierst du erfolgreich.
Oftmals lassen wir uns von den Zahlen ablenken. Es kommt nicht darauf an, ob du 4, 9 oder 45 Minuten trainierst, sondern was du in das Workout hineingeben kannst.
Ich empfehle meistens daher minimalistisch zu starten. In meinem minimalistischen Home-Workout gebe ich die Empfehlung es zunächst mit nur 15 Minuten am Tag zu probieren.
Nicht weil 15 Minuten Zeit spart oder eine „magische Zahl“ ist, sondern weil wir oftmals nicht die volle Konzentration und Energie für langwierige Workouts mitbringen.
Egal, ob auf dem Buchtitel vier, neun oder zwanzig Minuten vorgeschlagen werden: Es gibt nicht die richtige Minutenzahl für ein effektives Workout.
Der Trend zu immer kürzeren Workouts ist meistens dem Marketing geschuldet. Richtiges HIIT (hochintensives Intervalltraining) und HIT (high intensity training) tauschen Zeit gegen eine brutale Intensität ein. Doch weder ist es für Fitness notwendig, noch ratsam ständig an seine eigene Belastungsgrenze zu gehen.
Achtsamkeit und Konzentration sind stattdessen die eigentliche Währung eines erfolgreichen Workouts. Wenn du unkonzentriert und lustlos dein Workout absolvierst, dann machst du keine wirkliche Trainingserfahrung damit. Du imitierst nur, was dir vorgegeben wurde.
Erfahrung ist aber notwendig, damit du deine Körpersignale richtig deuten und auf sie eingehen kannst. Nur so kannst du zum Beispiel deine Belastung richtig steuern, die Übungen richtig ausführen usw.
Es kommt also nicht auf die Minutenzahl deines Trainings an, sondern darauf, wie lange du konzentriert und achtsam trainieren kannst.
Für die meisten von uns ist genau dies der limitierende Faktor. Ich erwische mich selbst manchmal bei unproduktiven Workouts, weil ich sie einfach „durchziehen“ will, obwohl ich nicht mehr ganz bei der Sache bin.
Achte also bei deinem nächsten Workout einfach mal darauf, wie konzentriert und aufmerksam du bei der Sache bist.
Richte den Trainingsaufbau nach deiner Konzentration, nicht umgekehrt. Höre insgesamt weniger auf Zahlen, sondern unterstütze alle Prozesse, die dir ein achtsames Training versprechen (zum Beispiel guter Schlaf, gute Ernährung, Konzentrationsfähigkeit, niedriges Stresslevel usw.).