Warum Zucker nicht süchtig macht

Macht Zucker süchtig? Solltest du Zucker besser aus deiner Ernährung verbannen? Zuckerfreie Ernährung liegt in den letzten Jahren im Trend. Es herrscht geradezu eine Panikmache um das Thema Zucker.

Mit Sicherheit leiden deine Zähne und vielleicht auch deine allgemeine Gesundheit, wenn du dich übermäßig von dem Süßkram ernährst. Aber bist du abhängig nach Zucker? Bist du wirklich ein „schwacher Mensch“, wenn du einfach gerne zuckerhaltige Lebensmittel isst?

Wahrscheinlich nicht. Warum Zucker nicht süchtig macht, was das eigentliche Problem ist, und wie du damit umgehst, kannst du in diesem Artikel nachlesen.

Hast du mal die Gemüseabteilung in deinem Supermarkt mit der Süßigkeitenabteilung verglichen? Ich garantiere dir, dass die Süßigkeitenabteilung beinahe doppelt so groß ist. Obwohl alle dort angebotenen Waren aus den gleichen Zutaten bestehen. Es ist alles nur eine Variation von Fett und Zucker, umhüllt von einer bunten Tüte. 

Aber es funktioniert. Wir meckern, dass die Lebensmittelpreise steigen, aber geben bereitwillig viel Geld für Süßwaren aus – die aus den billigsten Zutaten bestehen, die der Lebensmittelmarkt kennt: Glukose-Fruktosesirup, Palmfett und Co. Ich muss kein Wirtschaftsexperte sein, um festzustellen, dass die Gewinnmarge von allen Lebensmitteln wahrscheinlich bei den Süßwaren am größten ist.

Und manchmal haben wir dann ein schlechtes Gewissen, weil wir doch nicht zum Blumenkohl gegriffen haben, aber an den Gummibärchen und der Schokolade nicht vorbeigekommen sind. 

Vielleicht glaubst du auch, dass du einfach süchtig nach Zucker bist? Das du einfach nicht aufhören kannst Süßes zu essen, wenn du einmal anfängst?

Bist du daher ein schwacher Mensch? 

Die Diätindustrie möchte dich „abhängig“ sehen

Nein, du bist kein schwacher Mensch. Das wird dir nur eingeredet. Die Story funktioniert ungefähr so: 

Unser Körper funktioniert quasi nach einem uralten, genetischen Programm. Unser Hirn braucht Glukose und das musste es sich früher mühsam aus einer ballaststoffreichen Ernährung „herausarbeiten“. Wir haben daher eine richtige Spürnase für Zucker entwickelt. 

Heute leben wir im Zuckerparadies, aber unser Körper ist darauf nicht eingestellt. Daher können wir unseren Instinkten angeblich nicht mehr vertrauen. Stattdessen müssen wir uns kontrollieren lassen von jemanden, der uns regelmäßig auf die Finger klopft, wenn wir ein Stück Kuchen essen wollen.

Dieser Jemand ist die Diätindustrie. Sie kann dir „die Lösung“ zu deiner „Zuckersucht“ nur dann verkaufen, wenn du wirklich glaubst, dass du schwach bist. Das du keine Kontrolle hast und einfach vom Zucker abhängig bist. 

Dabei gibt es überhaupt keine wissenschaftlichen Hinweise auf so etwas wie eine „Zuckersucht“.

Gehirn-Scans als „Beweis“ für deine „Zuckersucht“?

Macht Zucker genauso süchtig wie beispielsweise Kokain? Vielleicht kennst du die Bilder von Gehirn-Scans, die dir genau dies weismachen wollen. Dort siehst du einen Querschnitt zweier Gehirne. Unter dem einen steht „Zucker“ und unter dem anderen „Kokain“. In beiden Gehirnen leuchtet die gleiche Gehirnregion auf. 

Das Bild wird oft als „Beweis“ für eine Zuckersucht angesehen. Du findest es quasi in jedem Diätratgeber, der dir den Zucker verbieten will. Kein Wunder, denn es unglaublich eindrücklich. Denn Bilder sprechen mehr als Worte. Und dieses Bild soll dir sagen: Zucker wirkt genauso auf das Hirn wie Kokain.

Nur leider ist es auch absoluter Blödsinn

Was die Diätratgeber und selbsternannten „Experten“ verschweigen, die Zucker mit Kokain gleichstellen wollen: Dasselbe Gehirnareal ist ebenso aktiv wenn du Sex hast, Sport machst, dein Kind oder Haustier streichelst usw. Kurzum: Immer dann, wenn wir etwas tun, was uns Freude bereitet.

Zucker macht nicht süchtig

Macht Zucker so süchtig wie Kokain?

Wer etwas nachdenkt, der erkennt schnell, dass es eine „Zuckersucht“ gar nicht geben kann. Zumindest nicht so, wie es eine Sucht nach Kokain oder Alkohol gibt.

Will ein Alkoholiker keinen Rückfall erleiden, muss sie oder er sich in absoluter Abstinenz schulen. Denn bei einer richtigen Sucht reicht schon die Einnahme der kleinsten Menge der süchtig machenden Substanz, um wieder abhängig zu werden. Selbst Schnapspralinen sind für Alkoholiker tabu. 

Wie sieht es aber mit der angeblichen „Zuckersucht“ aus? Hast du schon einmal von jemanden gehört, der verzweifelt an einer Orange lutschte, weil er gerade keinen anderen Zucker bekam?

Oder hast du schon mal jemanden im Café gesehen, der den Zuckerstreuer an die Gurgel setzte, weil er nicht genug von dem weißen Zeug bekommt?

Nein, natürlich nicht. Wäre aber Zucker genauso süchtig machend wie Alkohol oder Kokain, würde es keine Rolle spielen, ob er nun in Form einer Orange oder als Haushaltszucker daherkommt.

Warum du so gerne Süßes magst

Aber warum kommst du dann nicht an dem Süßigkeitenregal vorbei? Warum landet der Naschkram häufiger im Einkaufswagen, als du eigentlich möchtest? 

Zum einen stimmt die Story von dem genetischen Programm unseres Hirns zu Hälfte schon: Wir benötigen ca. 140 Gramm Zucker am Tag um optimal zu funktionieren – in Form von Glucose. Dem Hirn ist es egal, ob du nun Haferflocken, Kartoffeln oder Kuchen isst. Letztendlich holt sich das Hirn schon seine Energie. Kohlenhydrate sind daher der beste Treibstoff für unseren Körper. 

Das du also „süchtig“ nach Kohlenhydraten bist, ist quasi naturgegeben. Aber dann könntest du auch behaupten, dass du „süchtig“ nach Sauerstoff bist.

Zum anderen kommst du zwar nicht am Süßigkeitenregal im Supermarkt vorbei. Aber am Regal mit den Backzutaten schon. Warum eigentlich? Dort steht doch auch Zucker? 

Uns interessiert Zucker alleine meist herzlich wenig. Zwar führt viel Zucker (zum Beispiel in Form von zuckerhaltigen Limonaden) zu Gewichtszunahme und gesundheitlichen Problemen. Aber was unseren Gaumen eigentlich kitzelt, ist die verführerische Kombination von mehreren Nährstoffen.

Zucker ist nicht das eigentliche Probleme

Keiner (der das Kindergartenalter überschritten hat) schaufelt sich löffelweise den Haushaltszucker direkt in den Mund. Aber kommt noch ordentlich Fett und Mehl dazu und schieben wir das ganze in den Ofen, um einen Kuchen zu backen – dann sieht es anders aus. 

Es ist eine bestimmte Kombination von Zucker, Fett und Geschmack, die wir besonders attraktiv finden. Sie führt zu Überkonsum und Gewichtszunahme. Wer kennt das nicht? Nach einem üppigen Mahl ist der Bauch eigentlich so richtig voll. Aber der Nachtisch, der dann serviert wird, ist trotzdem unwiderstehlich. 

„Highly-palatable foods“ werden sie in der Wissenschaft genannt. Dazu gehören Süßwaren, Gebäck aber auch Junk-Food. Meist sind es genau berechnete Mengen an Fett, Zucker oder Salz. In den Großkonzernen der Lebensmittelindustrie wird ständig daran gefeilt, wie ihr Junk-Food noch schmackhafter werden kann. 

Mit Erfolg. Oder hast du nach dem Öffnen einer Chipspackung in letzter Zeit nur fünf Chips gegessen, um den Rest für später aufzubewahren? 

Diese „highly-palatable-foods“ sind das eigentliche Problem. Zucker alleine ist dagegen eher harmlos.

Strikte Restriktion ist gefährlich

Das eigentliche Problem: Nicht Zucker, sondern Highly Palatable Foods

Wir leben nun mal in einer Umwelt, die uns ständig mit „highly-palatable-foods“ bombardiert. Wie können wir damit umgehen? 

Die Diätratgeber wollen uns einreden, dass wir uns ebenso in Abstinenz schulen sollten, wie ein Alkoholiker. Das ist jedoch der falsche Weg. 

Wenn du meinst, du müsstest mit absoluter Abstinenz auf deine angebliche „Sucht“ reagieren und bestimmte Lebensmittel für immer verbannen, dann hast du ebenso die Kontrolle verloren.

Deine (psychische) Gesundheit ist dann noch immer gefährdet. Fit (im eigentlichen Sinne des Wortes) ist nur derjenige, der auch mit seiner Umwelt klarkommt. 

Strikte Restriktionen führen immer zu einem Schuldgefühl. Und oftmals kippen Restriktionen in ihr Gegenteil um. So entstehen Binge-Eating-Attacken.

Ernähre dich achtsam, anstatt dir etwas zu verbieten

Anstatt dir Lebensmittel ganz zu verbieten, übe dich lieber in Aufmerksamkeit. Versuche zu verstehen…

  • An welchen Orten du an den Lebensmitteln und dem Essen nicht vorbeikommst. Ist es die Süßigkeitenabteilung im Supermarkt? Ist es der Bäcker an der Ecke? Wenn du dich vorher bewusst damit auseinandersetzt, wo du „verführt“ wirst, kannst du an Ort und Stelle viel besser rational darauf reagieren. 
  • Zu welchen Zeiten du dich einfach nicht maßvoll verhalten kannst. Manchmal haben wir einfach Hunger, wenn wir zur Chipstüte oder zum Schokoriegel greifen. Gibt es gesündere Alternativen? Kannst du Essen vorbereiten und mitnehmen, falls du nicht zu Hause bist? 
  • Welche Auslöser dich zu den „highly-palatable-foods“ greifen lassen. Ist es Langeweile? Ist es die Abendroutine vor dem Fernseher? Bist du einfach müde oder gestresst? Erst wenn du dir darüber klar wirst, kannst du darauf reagieren. 

Oftmals hilft es auch, wenn du bestimmte Lebensmittel einfach erst gar nicht einkaufst. Hast du keine Schokoladenkekse zu Hause, wenn du plötzlich abends vor dem Fernseher Lust darauf hast, dann wirst du wahrscheinlich nicht aus dem Haus gehen, um dir extra welche zu besorgen. 

Die Achtsamkeit lässt sich auch noch einüben, wenn es „zu spät“ ist und du schon vor dem Süßigkeitenregal im Supermarkt stehst. Anstatt nach der Großpackung zu greifen, überlege dir, ob eine Tafel Schokolade nicht reicht. Mache sie zu deiner „Süßigkeit der Woche“. 

So kannst du den Genuss wieder für dich entdecken, anstatt dir alles zu verbieten oder in dich hineinzustopfen. Und die restriktiven Diätratgeber können dir dann vollkommen egal sein.

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