Wenn du dich bewegst, Sport treibst oder trainierst, dann genießt du viele gesundheitliche Vorteile: Du stärkst dein Herz- Kreislaufsystem, baust Stress ab, erhöhst deine allgemeine Leistungsfähigkeit und hast ein geringeres Risiko für kardiometabolische Erkrankungen, wie Diabetes oder Herzinfarkt.
Doch wie sieht es mit deinem Immunsystem aus? Kannst du deine Immunabwehr durch Sport tatsächlich verbessern? Oder kann Sport sogar dein Immunsystem schwächen und dich anfälliger für Viren und Bakterien machen?
Welche Effekte ein Fitnesstraining wirklich auf dein Immunsystem hat und worauf du achten solltest wenn du Sport treibst erfährst du hier.
Manches was du im Internet über das Immunsystem liest und wie es sich angeblich „steigern“ lässt, ist Blödsinn.
Denn noch weiß die Forschung nicht alles über unser Immunsystem. Viele Feinheiten der immunologischen Abwehrreaktionen unseres Körpers sind bisher unbekannt, oder sie stehen auf einem wackligen Datenfundament.
Um in den Medien aufzufallen braucht es allerdings mehr als wacklige Aussagen. Und so wird alles Mögliche angepriesen und felsenfest behauptet, dass du dadurch dein Immunsystem „boosten“ kannst.
Auch Apotheken und Drogerien bieten viele Pillen und Pülverchen an, mit denen du angeblich deine Abwehrkräfte steigern kannst. Und das ist ja auch verdammt verführerisch: Einfach eine Tablette schlucken und schon können die Viren und Bakterien kommen.
Doch so einfach ist es leider nicht.
Auch der Zusammenhang zwischen Training und Immunantwort ist nicht so einfach, wie viele glauben wollen.
Du kannst nicht einfach Sport treiben und schon „steigert“ sich dein Immunsystem.
In der Tat konnte bisher kein direkter Zusammenhang zwischen dem Lebensstil und einem gesteigerten Immunsystem bewiesen werden (siehe z.B. hier).
Du kannst dein Immunsystem nicht auf Superman-Niveau steigern. Das funktioniert einfach nicht. Lass dir nichts anderes von der Werbung oder von selbsternannten Lifestyle-Gurus erzählen.
Es gibt viele gesunde Leute, die nehmen Vitamintabletten und glauben dadurch gesünder zu sein. Doch sie unterliegen einem Irrtum. Denn wer ohnehin gesund ist, der kann durch Vitamine nicht noch gesünder werden.
Wenn du aber einen Vitaminmangel hast (der nur vom Arzt festgestellt werden kann), dann brauchst du hochdosierte Vitaminpräparate, die deinen Körper wieder auf „Normalbetrieb“ bringen. Ohne Mangel bringen extra Vitamine wenig.
So ähnlich verhält es sich mit dem Immunsystem:
Du kannst deinem Immunsystem nur dann einen „Boost“ geben, wenn es nicht optimal funktioniert. Du kannst es aber nicht über den „Normalbetrieb“ hinaus steigern oder verbessern!
Wenn du Sport treibst, Vitamin-C schluckst, meditierst, kalt duscht und sonst was unternimmst um nicht krank zu werden, dann bist du dadurch nicht direkt vierfach geschützt.
Wenn du Glück hast, dann funktioniert dein Immunsystem normal. So wie es sein sollte.
Durch Sport unterstützt du also im besten Falle dein Immunsystem, so dass es optimal seine Arbeit verrichten kann.
Aber was macht das Immunsystem dann genau?
Wenn du dich tüchtig bewegst, dann erhöht sich deine Herzfrequenz. Du atmest schneller und versorgst die Lungen mit Sauerstoff. Dein Blutkreislauf wird dadurch angeregt. Du merkst, dass dir warm wird. Vielleicht schwitzt du ein wenig.
Das lymphatische System arbeitet jetzt optimal. Normalerweise zirkuliert immer ein kleiner Anteil von Immunzellen durch den Körper. Aber durch Bewegung der Muskulatur und somit erhöhter Blut- und Lymphzirkulation, kannst du das Immunsystem richtig in Schwung bringen. Weiße Blutkörperchen gelangen nun schneller an ihre Zielorte und können dort Viren und Bakterien identifizieren.
Und das Gute an der Extraportion Bewegung: Die Immunzellen bleiben länger in erhöhter Aktivität – selbst wenn du deine Aktivität längst eingestellt hast. Durch regelmäßiges Fitnesstraining kannst du also dem Körper zusätzliche Zeit verschaffen, sich gegen Eindringlinge zu wehren.
Um diesen positiven Effekt zu erzielen musst du dich nicht erschöpfen – in der Tat wäre das sogar kontraproduktiv.
Ein schneller, halbstündiger Spaziergang am Tag reicht schon aus, damit dein Immunsystem seine Arbeit verrichten kann.
Wenn es um das Immunsystem geht, dann zählt jede Bewegung.
Aber nochmal: Dadurch steigerst du nicht dein Immunsystem, sondern lässt es seine Arbeit verrichten.
Früher dachte man, dass du nach einer Trainingseinheit anfälliger für Viren und Bakterien bist. Das dein Immunsystem also nach dem Sport geschwächt ist und du dich schneller anstecken kannst.
Dieser Zeitraum wurde als „open window“ bezeichnet. Ein offenes Fenster für allerlei Eindringlinge.
Und tatsächlich konnte man feststellen, dass die Immunzellen nach einer körperlichen Betätigung absinken. Doch neue Studien zeigen, dass die Immunzellen nicht verschwinden, sondern im Blutkreislauf bleiben und die Eindringlinge aufspüren.
Und das ist der oben genannte positive Effekt: Die Immunzellen sind dann noch aktiv, wenn du es nicht mehr bist!
Moderater Sport macht dich also nicht kurzfristig anfälliger für Krankheiten, sondern hilft dem Immunsystem bei seinem Job.
Aber wann ist es zu viel des Guten? Kann die Immunabwehr durch zu viel Sport sogar geschwächt werden?
„Alles mit Maß und Ziel“ heißt ein bekanntes Zitat aus Goethes Wilhelm Meister.
Wenn du deinen Körper zu viel zumutest, dann kann auch dein Immunsystem nicht optimal seine Arbeit verrichten.
Körperliche oder psychische Stressoren sabotieren deine sonst gut funktionierende Immunabwehr. So können sich beispielsweise T-Zellen schlechter vervielfältigen, wenn die Last an Stresshormonen wie Cortisol zu hoch ist.
Das gilt für alle Stressoren. Also auch Schlafmangel, Rauchen, oder zu viel Alkohol.
Aber eben auch für zu viel, oder sehr intensiven Sport.
Leider leben wir in einer Leistungsgesellschaft. Und die macht neuerdings auch vor Freizeitbeschäftigungen wie Fitnesssport keinen Halt.
Was früher als Leistungssport galt, findet immer mehr Anklang bei Freizeitathleten wie du und ich. So finden beispielsweise Marathon- und sogar Ultra-Running-Läufe (über 100 km und mehr) immer mehr Zulauf.
Und auch im Krafttraining hat das „Stärke-Paradigma“ Einzug gehalten: Viele „verwechseln“ Fitnesssport mit Kraftdreikampf und versuchen, beispielsweise ihre persönlichen Rekorde im Kreuzheben zu schlagen.
Es ist natürlich nichts gegen einen Marathonlauf oder schweres Kreuzheben zu sagen – aber solche Maßnahmen schießen meist über Ziele wie Gesundheit und allgemeine Leistungsfähigkeit hinaus.
Vielfach spielt das Ego hier eine größere Rolle als die Gesundheitsvorsorge.
Was viele darüber hinaus vergessen: Gut geplante Erholungsphasen sind genauso wichtig wie die körperliche Belastung selbst.
Wer als Freizeitsportler meint, er müsse ein Pensum und eine Intensität wie ein Leistungssportler vollbringen, darf sich nicht wundern, wenn das Immunsystem streikt.
Als Freizeitsportler stehen uns darüber hinaus gar nicht die gleichen Mittel zur Verfügung, wie sie im Leistungssport Anwendung finden. Wir haben keinen Personal Trainer, der die Belastungs- und Ruhephasen optimal aufeinander abstimmt. Oder einen Physiotherapeuten an unserer Seite, der uns nach dem Training versorgt, usw.
Wenn du daran interessiert bist, dein Immunsystem optimal arbeiten zu lassen und wenn du einfach nur fit und gesund sein willst – dann reicht ein moderates Trainingsprogramm vollkommen aus.
Ein moderates Kraft- und Ausdauertraining hilft uns sogar den Alltagsstress zu reduzieren. Wir fühlen uns nach einer guten Trainingseinheit entspannter und können nachts besser schlafen.
Was genau „moderat“ sein mag – das ist für jeden anders. Wenn du eigentlich ein Couchpotato bist, dann fange mit zügigen Spaziergängen und leichten Bodyweight-Übungen an.
Für erfahrene Freizeitsportler kann selbst ein regelmäßiger 10-km-Lauf und mehrmaliges Krafttraining in der Woche durchaus als moderat gelten.
Wie auch immer ein moderates Training für dich aussieht, wichtig ist, dass du eine ständige Überanstrengung vermeidest.
Besonders in Kombination mit einer schlechten Erholung (fehlender Schlaf, schlechte Ernährung, Stress) kann das zu vielen Problemen und einen nicht optimal funktionierenden Immunsystem führen. Da helfen auch keine Pillen und Pülverchen.
Passe dein Training deiner Lebenssituation und deinem Alltag an: Wenn du ohnehin viel Stress hast, nichts vernünftiges essen konntest und wenig geschlafen hast, dann bringt ein intensives Training wenig.
Wenn du ab und an deine Grenzen austesten willst, ist dagegen nichts einzuwenden, wenn du ansonsten topfit bist. Aber im normalen Trainingsalltag solltest du mit einer submaximalen Belastung arbeiten – sei es im Ausdauer- oder im Kraftbereich.
Die günstigsten Effekte für die Gesundheit lassen sich mit ca. 150 bis 180 Minuten moderater körperlicher Betätigung pro Woche nachweisen. Das sind 6 halbstündige, schnelle Spaziergänge pro Woche.
Wer etwas intensiver trainiert und Ausdauer- sowie Krafttraining betreibt, kommt sogar mit weniger Trainingszeit in der Woche aus.