Stell’ dir vor, du möchtest ein paar Kilo abnehmen. Wie machst du das?
Dein erster Gedanke ist bestimmt, dass du deine Ernährung umstellen musst. Aber irgendwann kommt dir garantiert auch Cardiotraining in den Sinn.
Nicht umsonst sieht man viele Fitness-Neulinge in den Wäldern walken oder joggen, wenn sie abnehmen wollen. Oder in den Fitnessstudios auf den Crosstrainern und Laufbändern schwitzen.
Cardiotraining ist tatsächlich eine wichtige Komponente, wenn es um deine Fitness geht. Es hält nicht nur dein Herz-Kreislaufsystem in Schwung, sorgt für eine gute Durchblutung und stärkt das Immunsystem – du fühlst dich auch noch wohler, wenn du dich bewegst.
Aber hilft es dir auch, wenn du schlank werden willst? Wie viel Cardiotraining brauchst du dann wirklich? Und welche Sportart eignet sich am besten?
Vorweg eine kleine Warnung.
Wer abnehmen will, der sieht Cardiotraining häufig als eine lästige, aber notwendige Möglichkeit an Kalorien zu verbrennen.
Wenn du wirklich vom Cardiotraining profitieren möchtest, dann empfehle ich dir, dass du diese Sichtweise nochmal überdenkst.
Denn zum einen ist so eine Überzeugung gerade für den Umgang mit dem eigenen Körper destruktiv. Zum anderen stellt sie einen sicheren Weg dar, sich vollständig auszubrennen.
Warum?
Weil du auf verschiedenen Wegen gegen deinen Körper arbeitest. Aber gerade wenn es darum geht, dass du etwas an deinem Körper ändern willst, solltest du mit dem Körper arbeiten, nicht dagegen.
Du musst dir über zweierlei klar sein:
1. Du hast keinen Herrschaftsanspruch auf deinen Körper
2. Der Körper ist nicht unendlich formbar
(mehr darüber hier)
Ist Cardio für dich nur ein unangenehmes Pflichtprogramm, das du irgendwie „abarbeiten“ musst? Dann hast du eine falsches Vorstellung von deinem Körper. Du siehst ihn als etwas an, was du „bezwingen“ musst. Er soll dir „gehorchen“.
Du willst deinen Körper regelrecht unterwerfen.
Zu drastisch? Ich glaube nicht. Immer wieder sehe ich Trainierende, die mit verbissener Miene stundenlang auf dem Crosstrainer stehen und sich anschließend beschweren, dass sie einfach nicht abnehmen können.
Ja wie sollen sie auch, wenn sie ihren Körper so stressen?
Nicht nur Anfänger gehen dem Irrglauben nach, dass sie sich immer mehr quälen müssen, um noch bessere Ergebnisse zu erzielen. Auch Profis unterliegen dieser Fehlannahme, gerade dann, wenn sie erfolgreich sind und aus Sport ein großen Teil ihres Selbstwertes ziehen.
Ein Burn-Out ist die Folge. Und damit natürlich auch ein Trainingseinbruch. Viele „Fitness-Freaks“ manövrieren sich selbst aufs Abstellgleis.
Für den Fitness-Laien und für alle, die einfach nur ein paar Kilo abnehmen, fitter und gesünder sein wollen, macht es umso mehr keinen Sinn den Körper mit Druck und Zwang zu mehr Fitness zu zwingen.
Mute daher deinem Körper und dir nicht zu viel zu. Lieber langsam und stetig das Ziel erreichen, als mit Volldampf nie am Ziel ankommen.
Gerade wenn du abnehmen willst und deine Ernährung umstellst, kann dein Körper nicht noch mehr Stress gebrauchen.
Und Stress ist immer subjektiv: Wenn du Cardiotraining als Belastung empfindest, dann ist es das auch.
Ändere lieber deine Einstellung zum Training. Glaube nicht, dass du mit „hardcore“ Trainingseinheiten schneller ans Ziel kommst.
Fange langsam mit einer Ausdauertätigkeit an, die dir Spaß macht. Das kann so etwas simples wie lange Spaziergänge sein.
Gerade wenn du Anfänger bist und viel Gewicht verlieren willst, sind Spaziergänge ein hervorragendes Mittel, um fitter zu werden.
Gehe in zügigen Schritten voran, so dass du etwas (aber nicht zu viel) gefordert wirst. Steigere später das Tempo und die Strecke – aber immer mit dem Einverständnis deines Körpers. Stressfrei trainiert es sich besser.
Klar ist ein Training an frischer Luft optimal, aber wenn du nicht immer Wind und Wetter ausgesetzt sein willst, kannst du auch im Haus oder in der Wohnung trainieren.
Ich schäme mich nicht dafür bei Regen und Kälte auf dem Ergometer zu sitzen und dabei Netflix zu schauen. So bekomme ich genug Bewegung und freue mich auf die nächste Trainingseinheit, weil ich dann meine Serie weiterschauen kann. Win-win.
Es gibt genug Möglichkeiten dein Cardiotraining so zu gestalten, dass du gefallen daran findest. Dann bist du auch auf dem Weg zur richtigen Motivation.
Jetzt musst du nur noch auf deinen Körper hören und ihm so viel Bewegung geben, wie er braucht.
Manchmal glaube ich, dass die Fitness-Szene in zwei Camps aufgeteilt ist: Die Cardio-Freaks und die Muskel-Freaks.
Viele Cardio-Freaks machen kein Muskelaufbautraining, weil sie glauben, dass sie ansonsten zu schwer und massig werden – während die Muskel-Freaks kein Cardiotraining machen, weil sie glauben, dass sie ansonsten Muskelmasse verlieren.
Wenn es dir aber wirklich um Gesundheit und Fitness geht, dann gilt: Beides ist wichtig!
Gerade wenn du abnehmen willst und deine Ernährung umgestellt hast, ist es mit Cardio alleine nicht getan. Du brauchst auch ein Muskeltraining.
In meinem Bekanntenkreis habe ich genug Beispiele von Leuten, die beim Abnehmen auf nur zwei Dinge gesetzt haben: Weniger essen und viel Cardio. Durchweg alle waren mit ihren Ergebnissen nicht zufrieden, obwohl sie abgenommen hatten.
Denn sie hatten alle keinen „definierten Körper“, wie sie sich vorgestellt hatten. Sie fühlten sich schlaff und kraftlos – und sahen auch so aus. Gesundheitlich waren sie auch nicht auf der Höhe.
Und dann setzt die Frustration ein. Als Trainer weiß ich, dass so eine Art der Frustration nur zu eines führt: Sportverdruss. Es kommt, wie es kommen musste: Alle haben wieder zugenommen.
Mal abgesehen davon, dass die Abnehmwilligen die (oben genannte) falsche Sichtweise auf das Cardiotraining hatten, wären sie bestimmt mit ihren Ergebnissen viel zufriedener, wenn sie nicht auf das Muskeltraining verzichtet hätten.
Denn wenn du dich kalorienreduziert ernährst und dabei zu viel Cardio machst, kommst du irgendwann an einem Punkt, an dem dein Körper deine Muskeln verwertet. Er „frisst“ sie einfach auf, weil er irgendwoher seine Energie nehmen muss.
Dieser Kannibalisierungsprozess ist nicht nur gesundheitlich bedenklich (denn immerhin brauchen wir unsere Muskeln für einen leistungsfähigen Körper), sondern wirkt sich auch ästhetisch negativ auf dein Aussehen aus.
Zudem sind Muskeln stoffwechselaktiv: Wenn du langfristig schlank bleiben willst, dann schmeisst du mit den Muskeln sozusagen den Verbrennungsmotor an, der dir hilft deinen Stoffwechsel auf Hochtouren zu bringen.
Kurzum: Wenn du abnehmen und fit sein willst, dann ist auch ein Muskelaufbautraining wichtig!
Ich sehe immer wieder, dass viele Trainierende das Cardiotraining zum Abnehmen überschätzen.
Damit will ich nicht sagen, dass du auf das Cardiotraining verzichten solltest – denn wie du oben gesehen hast, ist es neben dem Muskelaufbautraining die zweite wichtige Komponente für deine Fitness, 50:50 also.
Aber wenn wir uns das Abnehmen alleine anschauen, dann sieht die Sache schon anders aus. Weil ja alle Zahlen lieben, lehne ich mich mal aus dem Fenster heraus (ich bereue es jetzt schon) und sage:
Vernünftiges Abnehmen ist 70% Ernährung, 20% Muskelaufbautraining und 10% Cardio.
Ja, nur 10%.
Es ist kein Zufall, dass Profi-Bodybuilder das Cardiotraining häufig nur in der letzten Phase der Wettkampfvorbereitung mit in den Trainingsplan aufnehmen.
Erst dann, wenn sie über die Ernährung alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Es „bringt“ einfach viel weniger, als eine Ernährungsumstellung. Es ist der Feinschliff für den Profisportler.
Du solltest trotzdem auf jeden Fall ein Ausdauertraining betreiben – halt nur nicht, um „noch mehr“ Kalorien zu verbrennen. Sondern einfach, weil es dir dann besser geht, du dich fitter fühlst und du alle möglichen gesundheitlichen Vorteile dadurch erntest.
Das ändert den Blickwinkel natürlich gewaltig:
Du brauchst eigentlich überhaupt kein Cardiotraining, um schlanker zu werden. Es ist aber (immer) eine gute Idee. Für deine Gesundheit, dein Wohlbefinden und deiner allgemeinen Fitness.
Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung, sollte es dir also eben nicht darum gehen mit dem Ausdauersport massig an zusätzlichen Kalorien zu verbrennen, wenn du deine Ernährung schon umgestellt hast und Muskelaufbautraining betreibst.
Dein Körper hat zudem schon Stress genug, wenn du dich unterkalorisch ernährst. Daher empfehlen sich zusätzliche, hochintensive Ausdauereinheiten nicht.
Bleibe lieber bei Sportarten, die du in einer geringen Intensität für eine längere Zeit ausführen kannst. Dieses Training wird auch „Low Intensity Steady State“ genannt, oder LISS.
LISS-Training kannst du mit vielen Ausdauersportarten und -geräten verbinden. Suche dir einfach etwas aus, was dir Spaß macht. Auch schadet eine Abwechslung ab und zu nicht, um einseitige Belastungen zu vermeiden.
Sei es nun schnelle Spaziergänge, Fahrradfahren, oder Slow Jogging an der frischen Luft, Crosstrainer oder Laufband im Fitnessstudio. Oder von mir aus das oben erwähnte Ergometer, während du Netflix schaust. Solange du dabei nicht vergisst in die Pedalen zu treten, geht das auch.
Wie der Name schon sagt, bist du bei „Low Intensity Steady State“-Training auf eine geringere Intensität für einen längeren Zeitraum aus.
Starte mit 30 bis 40 Minuten LISS-Training an zwei oder drei Tagen in der Woche. Steigern kannst du dich immer noch. Höre auf deinen Körper und verausgabe dich nicht. Es soll Spaß machen!
Am besten funktioniert das LISS-Training, wenn du dich zu Beginn an deinen Trainingspuls orientierst. Dafür brauchst du ein Herzfrequenzsensor. Entweder nimmst du einen fürs Handgelenk (für den Freizeitsportler reicht das mittlerweile schon aus), oder trägst einen Brustgurt.
Nun schaust du, dass du während des Trainings ungefähr 60% bis 70% deines Maximalpulses einhältst. Den Maximalpuls kannst du annähernd mit folgender Formel errechnen:
HFmax = 207 – (Alter * 0,7)
Für eine 45jährige(n) Sportler(in) wäre das also:
207 – (45 * 0,7) = 176 Maximalpuls.
Davon 60% – 70% = 105 bis 123 Trainingspuls.
Bleibe also in deinem eigenen Herzfrequenzbereich und du wirst sehen: Statt das du dem Körper noch mehr Stress bereitest, fühlst du dich nach dem Training viel besser und du baust Stress sogar ab.
Die wichtigste Erkenntnis ist, dass du kein Cardiotraining betreiben solltest, um „noch mehr Kalorien zu verbrennen“ und so den Körper zur Veränderung zu zwingen. Mit Zwang erreichst du gar nichts. Arbeite lieber mit dem Körper, nicht gegen ihn.
Wenn es alleine um das Abnehmen geht, ist Ernährung viel wichtiger als Cardio. Aber auch auf ein Muskelaufbautraining solltest du während des Abnehmens viel Wert legen. Denn Muskeln sorgen nicht nur für den ästhetischen Look, sondern helfen dir auch langfristig gesund zu bleiben.
Cardio hilft dir weniger beim Abnehmen selbst – doch trotzdem solltest du darauf nicht verzichten. Für deine allgemeine Fitness, das Herz-Kreislaufsystem und zum Stressabbau eignet sich nichts besser als eine gute Ausdauereinheit.
Doch nimm lieber Abstand vom hochintensiven Ausdauertraining zusätzlich zur unterkalorischen Ernährung und dem Muskelaufbautraining. Trainiere lieber so, dass du dich für mindestens 30 bis 40 Minuten in einem moderaten Herzfrequenzbereich von 60% bis 70% deines Maximalpulses befindest.
Suche dir eine Sportart oder ein Trainingsgeräte aus, dass dir Spaß macht. Vom schnellen Spaziergang bis zum Ergometer ist alles möglich. Und auch deine Einstellung zählt: Cardio ist nicht etwas, was du einfach auf deiner To-Do-Liste abhaken solltest, weil es halt zur Fitness dazugehört.
Du solltest dich auf dein Training freuen (meistens jedenfalls). Dann wird sich auch dein Körper bei dir bedanken.