Effektives Beintraining zuhause

Es ist ein Märchen, dass du für ein effektives Beintraining schwere Gewichte brauchst. Du kannst hervorragend auch zu Hause in den eigenen vier Wänden, ohne eine einzige Hantel, deine Beinmuskulatur aufbauen. Dafür brauchst du auch keine 20 verschiedenen Übungen. Eine Handvoll einfacher Übungen reicht aus.

Hier ein Bein-Workout, das du überall machen kannst. Egal, ob du Anfänger bist oder schon jahrelang trainierst: Das Workout lässt sich ganz einfach deinem individuellen Trainingsniveau anpassen und ist sowohl für Mädels als auch Jungs geeignet.

Selbst versierte Calisthenics-Athleten erzählen dir häufig, dass du schwere Gewichte brauchst, um vernünftig deine Beine zu trainieren. Dabei bringen in Wirklichkeit schwere Langhantel-Kniebeugen keinen Mehrwert, wenn du nicht die richtige Genetik hast.

Genau wie du es als Basketballspieler mit 1,5 m Körpergröße wahrscheinlich nicht in den Leistungssport schaffst, so gibt es auch eine typische Gewichtheber-Genetik. Profi-Gewichtheber sind zwar stark – aber die meisten von ihnen sind auch nicht besonders groß. Dafür haben sie Sehnen wie Stahlseile und dicke Gelenke, die vor der harten Beanspruchung durch schwere Hantelgewichte schützen.

Wenn du hingegen lange Gliedmaßen und dünne Gelenke hast, dann wirst du deine Probleme bei schweren Kniebeugen mit der Langhantel haben. Du bist einfach nicht dafür gebaut. Deine Hebelwirkung ist eine gänzlich andere. Du kannst zudem deine Zielmuskulatur auch schlecht mit schweren Langhantelübungen ansprechen.

(Einen ausführlichen Artikel, warum schwere Gewichte für den Muskelaufbau generell nicht unbedingt vorteilhaft sind, findest du hier.)

Zudem kann mir keiner erzählen, dass es gesund sein soll, wenn du jahrelang deine Wirbelsäule mit schweren Gewichten auf der Schulter regelrecht zusammenpresst. Keiner hat auch behauptet, dass Profisport gesund wäre.

Aber das Problem beginnt da, wo Übungen aus dem Profi-Bereich für die Allgemeinbevölkerung verschrieben werden. Drei Mal die Woche mehr als das eigene Körpergewicht auf den Schultern zu tragen ist halt nicht für jeden optimal. Ich kenne einige, die mit Anfang 20 Vollgas an der Langhantel gaben, aber schon mit Mitte 30 Knieprobleme hatten.

Beintraining an Geräten – eine gute Alternative?

Beinpresse
Im Sitzen trainieren – die Beinpresse.

Eine Alternative stellen natürlich die Vielzahl von Trainingsgeräten für die Beine in den Fitnessstudios dar. Gerätetraining hat durchaus seinen Platz. Gerade für ältere Trainierende mit Einschränkungen im Bewegungsradius und im Reha-Bereich sind sie sicherlich eine große Hilfe.

Und auch für diejenigen, die sich Anfang 20 die Kniegelenke mit schweren Squats so versaut haben, dass sie noch nicht einmal mehr Kniebeugen mit dem eigenen Körpergewicht problemlos durchführen können.

Aber ist es wirklich optimal im Sitzen die Beine zu trainieren? Ich bin kein sonderlich großer Fan von dem Begriff „functional fitness“, aber selbst mir leuchtet ein, dass ein Beintraining im Sitzen alles andere als funktional ist.

Darüber hinaus werden, insbesondere bei der Beinpresse, so hohe Lasten in einer sitzenden Position bewegt, dass ein enormer Druck auf die untere Wirbelsäule ausgeübt wird. Und mit einem lumbalen Bandscheibenvorfall ist nicht zu spaßen.

Beinmuskulatur aufbauen mit dem eigenen Körpergewicht

Jetzt will ich das Beintraining mit dem eigenen Körpergewicht nicht über den grünen Klee loben. Sicherlich kannst du auch hier Fehler machen. Und die Lernkurve ist etwas höher, als bei einem Maschinentraining. Obwohl sich dieser Nachteil dadurch kompensieren lässt, dass du einfach auf komplizierte Übungen verzichtest.

Wenn du mit dem eigenen Körpergewicht trainierst, wirst du deine Gelenke wahrscheinlich nicht überlasten. Du trägst dein Körpergewicht ohnehin schon den ganzen Tag auf deinen Beinen herum.

Die Gefahr, dass dir zu viel Gewicht auf einmal zumutest besteht einfach nicht. Bei hohen Gewichten (ob im Maschinen- oder Hanteltraining), ist die Gefahr einfach größer, dass du dir etwas „verknackst“. Ein „welcome to snap-city“ kannst du so gut wie ausschließen.

Und – ja, ich benutze den Begriff nochmal, obwohl ich ihn nicht mag – eine Körpergewichtskniebeuge ist verdammt funktional. Denn was ist denn eine Kniebeuge mit dem eigenen Körpergewicht, wenn nicht ein Hinsetzen und Aufstehen? Und das machst du täglich.

Höhere Belastungsumfänge – mehr Muskeln

Aber gerade weil wir schon täglich auf unseren Beinen umherlaufen und uns hinsetzen und wieder aufstehen, sind die beiden Dinger einiges gewohnt. Um trotzdem mit dem eigenen Körpergewicht die Beinmuskulatur aufzubauen brauchen wir daher höhere Belastungsumfänge. Also mehr Wiederholungen und Sätze.

Glücklicherweise (oder genau aus diesem Grund) spricht die Beinmuskulatur auf hohe Belastungsumfänge sehr gut an. Viele Wiederholungen und ein hohes Trainingsvolumen kommt dem Aufbau deiner Beinmuskulatur zugute. Vergiss also den bekannten Muskelaufbaubereich aus dem Bodybuilding von 8 bis 12 Wiederholungen. Für die Beine brauchen wir mehr Wiederholungen.

Wenn du aber mit hohen Wiederholungszahlen arbeitest, kannst du nicht viel Gewicht bewegen. Dein Körpergewicht reicht also vollkommen aus.

Einfache Übungen – mehr Muskeln

Deine Beinmuskulatur braucht nicht viel Abwechslung und tausend verschiedene Übungen in sämtlichen Schwierigkeitsgraden um zu wachsen. Es reichen einige, wenige Übungen, die nicht schwer auszuführen sind.

In der Tat sind schwierige Übungen für den Muskelaufbau eher hinderlich. Ich halte nicht viel von Pistol Squats auf einem Bosu-Ball. Wie solltest du dich auf die Zielmuskulatur konzentrieren, wenn du damit beschäftigt bist dein Gleichgewicht zu halten?

Bleibe lieber bei simplen Übungen, wenn dein Ziel der Muskelaufbau ist. Dies gilt für die Beinmuskulatur ganz besonders.

Keine plyometrischen Übungen

Ebenso habe ich bei diesem Workout auf plyometrische Übungen verzichtet. Nicht das explosive, gesprungene Kniebeugen für den Muskelaufbau nicht funktionieren würden.

Aber sie sind nicht für jeden geeignet. Wenn du etwas Übergewicht, oder Probleme mit den Knien hast, dann machen plyometrische Übungen keinen Sinn. Sie würden deinen Körper nur zu sehr belasten. Und wenn du verletzt bist, kannst du auch nicht mehr trainieren.

Das Workout

Das Workout besteht aus vier Übungen:

A) Enge Kniebeuge mit Unterstützung

B) Ausfallschritte rückwärts mit Unterstützung

C) Kniebeugen zur Bank

D) Wadenheben

Du führst eine Übung nach der anderen aus. Das heißt, du machst erst alle Sätze mit den engen Kniebeugen. Dann ruhst du dich 2 bis 3 Minuten aus. Dann machst du alle Sätze mit den Ausfallschritten usw. Zwischen den Sätzen sollte die Pausenzeit etwas geringer sein. Hier dürfte eine Minute reichen.

Versuche nicht durch die Übungen zu hetzen. Das bringt nichts für den Muskelaufbau. Das ist kein HIIT. Finde das für dich richtige Tempo.

A) Enge Kniebeuge mit Unterstützung

enge Kniebeuge Ausgangsposition
enge Kniebeuge Endposition

1. Stelle dich ungefähr eine Armlänge vor einem Tisch, einem Stuhl oder einer Couch. Die Füße stehen etwas enger als schulterbreit zusammen. Halte die Füße in einer für dich natürlichen Fußstellung.

2. Lege deine Finger auf den Stuhl o.ä. Greife nicht fest zu. Du willst nur eine minimale Unterstützung haben, damit du dich nicht auf dein Gleichgewicht konzentrieren musst. So kannst du dich voll auf die Zielmuskulatur konzentrieren: Die vordere und hintere Beinmuskulatur und dein Gesäß.

3. Spanne die Bauch- und Gesäßmuskulatur an und schiebe dein Becken nach hinten. Gehe langsam und kontrolliert so weit nach unten wie du kannst, ohne deinen Rücken zu krümmen. Versuche die Fersen auf den Boden zu lassen. Gehe danach wieder nach oben in die Ausgangsstellung.

Als Anfänger startest du mit 3 Sätzen und 25 Wiederholungen pro Satz.

Als Fortgeschrittener startest du mit 5 Sätzen und 30 Wiederholungen pro Satz.

B) Ausfallschritte rückwärts mit Unterstützung

Ausfallschritte Anfangsposition
Ausfallschritte Endposition

1. Für diese Übung brauchst du einen Besenstiel o.ä. Die Übung wird unilateral ausgeführt. Pro Satz wechselst du daher einmal das Bein, so dass du die Übung mit beiden Beinen ausführst.

2. Du stellst dich ungefähr schulterbreit hin. Nimm den Besenstiel in die linke Hand und strecke den Arm seitlich aus. Halte den Besenstiel locker fest. Er soll nur zur leichten Unterstützung dienen, damit du dir um das Gleichgewicht keine Sorgen machen brauchst. So kannst du dich wieder vollkommen auf die Beinmuskulatur fokussieren.

3. Schreite nun mit dem linken Bein einen großen Schritt zurück. Dein rechtes Bein bleibt stehen. Es fungiert als dein Standbein. Halte den Rücken gerade und die Bauchmuskulatur angespannt. Gehe nun langsam und kontrolliert nach unten, bis dein linkes Knie fast den Boden berührt. Dann drückst du dich durch deinen rechten Fuß wieder nach oben. Konzentriere dich dabei auf die Spannung in der Muskulatur deines Standbeins.

4. Führe zunächst alle Wiederholungen mit dem rechten Bein aus. Nimm dann den Besenstiel in die andere Hand und wiederhole die Übung mit dem anderen Bein.

Als Anfänger startest du mit 3 Sätzen und 25 Wiederholungen.

Als Fortgeschrittener startest du mit 5 Sätzen und 30 Wiederholungen.

C) Kniebeugen zur Bank oder Couch

Kniebeugen Ausgangsposition
Kniebeugen Endposition

Mittlerweile dürften deine Beinmuskeln schon ziemlich erschöpft sein. Denk’ dran: Du solltest deine Beinmuskeln erschöpfen, nicht dich selbst! Wenn du schnaubst und dein Puls auf 180 ist, dann hast du zu schnell trainiert. Gehe die Sache langsamer an.

Jetzt geben wir den Beinmuskeln den Rest mit den Kniebeugen zur Bank.

1. Stelle dich etwas weiter als schulterbreit vor einer Trainingsbank, einer Couch oder einem tiefen Stuhl. Halte dein Hände so, als ob du den allmächtigen Gott der Beinmuskulatur anbetest. Wem das zu blasphemisch ist, kann seine Arme auch nach vorne hin ausstrecken.

2. Spanne deine Bauch- und Gesäßmuskulatur an und halte deinen Rücken gerade, während du dein Becken nach hinten schiebst, als möchtest du dich auf die Couch setzen. Berühre die Oberfläche nur kurz mit deinem Po, ohne dich wirklich hinzusetzen und drücke dich durch deine Füße wieder nach oben. Spanne dabei die Beinmuskulatur an.

Als Anfänger startest du mit 3 Sätzen und 25 Wiederholungen.

Als Fortgeschrittener startest du mit 5 Sätzen und 30 Wiederholungen.

D) Wadenheben

Wadenheben Anfang
Wadenheben Ende

Jetzt haben wir die vordere und hintere Beinmuskulatur, sowie die Gesäßmuskulatur genug trainiert. Zum Abschluss widmen wir uns noch den Waden.

1. Stelle dich mit dem Vorderfuß auf einem Treppenabsatz. Halte dich zur Unterstützung an einer Wand fest. Senke langsam deine Füße nach unten, bis die Waden gedehnt sind. Das ist die Ausgangshaltung.

2. Drücke dich nun langsam und kontrolliert nach oben. Verharre für einen kurzen Augenblick in der obersten Position, bevor du dich wieder absenkst.

Als Anfänger startest du mit 3 Sätzen und 30 Wiederholungen.

Als Fortgeschrittener startest du mit 5 Sätzen und 50 Wiederholungen.

Fazit

Wie du siehst, kannst du auch mit leichten Übungen deine Beine effektiv zu Hause trainieren. Du brauchst weder schwere Hanteln, noch ein Fitnessstudio mit vielen Geräten. Beides hat sogar eher Nachteile.

So brauchst du die richtige Genetik, um mit schweren Hanteln überhaupt deine Muskulatur richtig anzusprechen. Und Beinpressen und Beinstrecker-Maschinen bringen deinen Körper in eine physiologisch bedenkliche Lage.

Das Beintraining mit dem eigenen Körpergewicht benötigt jedoch höhere Belastungsumfänge. Fünf und mehr Sätze mit bis zu 50 und mehr Wiederholungen sind möglich – aber nicht immer nötig. Achte auf das Feedback deines Körpers.

Denn oftmals führen höhere Belastungsumfänge mit leichten Übungen dazu, dass du die Zielmuskulatur besser ansprechen kannst. Und dann benötigst du weniger Wiederholungen, um den gleichen Effekt zu erreichen. Mehr dazu findest du in meinem minimalistischen Home-Workout, bei dem du mit wenigen Übungen deinen ganzen Körper trainierst.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert